Was wir von „Pegida“ lernen können. Und müssen.

Rechtsextreme sind häufig ziemlich gut organisiert. Mit viel Engagement vertreten sie menschenverachtende Positionen. Doch ähnlich sollte sich auch die europäische Linke organisieren.

Die rechtsextremen Fremdenhasser der "Pegida" sind ziemlich gut organisiert. Foto: Kalispera Dell / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Montagabend war ein guter Abend für diejenigen, denen die dumpfen Parolen, die Krokodilstränen und die Islamparanoia von „Pegida“ auf die Nerven gehen. 100.000 Menschen protestierten, zweifellos unter dem Eindruck der Massenkundgebungen in Frankreich am Sonntag, gegen die Ausländerhasser der rechtsextremen Truppe. Nur in Dresden ist der Zuspruch für die schwarz-rot-goldenen Dumpfbacken nach wie vor ungebrochen – über 20.000 Menschen versicherten sich in Dresden gegenseitig, dass sie in einem Netz blutrünstiger Islamisten, unfähiger Politiker und der Lügenpresse gefangen sind. Die Armen. Doch auch, wenn man sich über diese „Bewegung“ wundert, sollte man einmal genauer hinschauen. Denn genauso bescheuert, wie ihre Parolen sind, genauso gut sind sie mittlerweile organisiert.

Der Sonntag hat weltweit gezeigt, dass es möglich ist, Millionen Menschen FÜR eine Sache zu mobilisieren. Natürlich ging es in erster Linie am Sonntag um die Bekundung der Trauer über die Mordanschläge von Paris, doch unterschwellig ging es auch darum auszudrücken, dass die Menschen eine andere Gesellschaft, eine andere Welt wollen. Eine Welt, die unsere Politik nicht mehr in der Lage ist zu organisieren.

Die Zutaten der „Pegida“ sind erstaunlich einfach gestrickt. Ein „Orga-Team“ kümmert sich um vernetzt agierende Gruppen, die Kommunikation läuft vor allem über die sozialen Netzwerke und damit die nicht ganz so hellen „Pegida“-Anhänger auch verstehen, warum sie hinter Neonazis hinterher dackeln sollen, hat man sogar das 19 Punkte umfassende Grundsatzpapier auf ganze sechs Punkte zusammen gekürzt. Diese sechs Punkte sind so einfach gefasst, dass man dabei sogar mit dem Kopf nicken kann. Nur nicht zu kompliziert. Dahinter steckt aber eine gar nicht so blöde Taktik – sich auf Grundsätze zu konzentrieren, die so einfach gehalten sind, dass der letzte Schwachkopf sie versteht.

Wenn es möglich ist, regelmäßig eine fünfstellige Zahl Demonstranten zu mobilisieren, um GEGEN vermeintliche Gefahren zu demonstrieren, dann müsste es doch eigentlich auch möglich sein, den Elan des Wochenendes mitzunehmen, um FÜR demokratische Grundwerte und FÜR eine bessere Integration und FÜR ein friedliches Miteinander in den Gesellschaften Europas zu demonstrieren.

Dazu macht „Pegida“ noch etwas richtig und die Linken in Europa sollten aufpassen, den Rechtsextremen nicht das Monopol für gute Organisationsformen zu überlassen: „Pegida“ ermöglicht die Gründung von „Ablegern“ in anderen europäischen Ländern. So schwer es fällt es zuzugeben, aber das macht „Pegida“ leider richtig. Denn die Zukunft der europäischen Politik liegt nicht im durch und durch korrupten Brüssel, sondern im Austausch und im gemeinsamen Vorgehen der Menschen in Europa. Je stärker diese Verbindungen werden, desto eher können die Europäerinnen und Europäer auch selbst in die europäische Politik eingreifen. Was man auf keinen Fall den Verblendeten der „Pegida“ überlassen sollte.

Die letzten Tage haben deutlich gezeigt, dass das Mobilisierungs-Potential der demokratischen Kräfte in Europa deutlich größer ist als das der Rechtsextremen und Ausländerhasser. Mit dieser Erkenntnis sollte sich die europäische Linke selbst aus der Taufe heben.

Dass die traditionellen Parteien diese Rolle nicht ausfüllen können, liegt auf der Hand. Denn sie sind selbst Teil eines politischen Systems, das in der Tat nicht mehr das Leben der Menschen reflektiert, sondern vor allem den Interessen des großen Kapitals dient. Eine neue europäische Linke muss sich selbst erfinden, anhand konkreter, aktueller Themen, auf die klare Antworten angeboten werden müssen. Sozialisten, Sozialdemokraten und Grüne sind mittlerweile derart fest in einem imaginären politischen „Zentrum“ angekommen, das sich durch Beliebigkeit und Austauschbarkeit charakterisiert, dass sie nicht mehr in der Lage sind, andere Positionen zu vertreten als ihre eigenen politischen Gegner im konservativen Lager (das ihnen im „Zentrum“ viel näher steht, als ihnen lieb sein kann).

Die Zeit zum Handeln ist nicht nächstes Jahr, sondern jetzt. Heute. Denn die Rechtsextremen, so viel steht fest, werden nicht locker lassen. Sie haben Morgenluft gewittert und, ähnlich wie der Front National in Frankreich, geben sie sich große Mühe, „salonfähig“ zu werden. Was die „Pegida“ kein bisschen weniger widerlich macht. Doch wird es auf Dauer nicht ausreichen, die „Pegida“ widerlich zu finden – wer etwas an den bestehenden Verhältnissen ändern will, der muss selbst positiv aktiv werden. Die Rechtsextremen abzulehnen ist in sich noch kein politisches Programm – an einem solchen muss nun schleunigst gearbeitet werden. In ganz Europa.

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