Weber? Timmermans? Eher keiner von beiden…

Die beiden Spitzenkandidaten der europäischen Konservativen und der Sozialdemokraten für die Europawahl haben sich ein gähnend langweiliges Rededuell geliefert. Ein typisches 0:0.

Manfred Weber und FransTimmermans - könnten wir bitte andere Kandidaten bekommen? Foto: ScS EJ

(KL) – In einer Zeit, in der jedem und jeder klar ist, dass die europäischen Institutionen dringend reformiert werden müssen, haben sich die beiden großen Fraktionen im Europäischen Parlament, die konservative EVP und die sozialdemokratische S&D für ein lauwarmes „weiter so!“ entschieden. Aufgrund der Machtverhältnisse im Europäischen Parlament, die auch nach dem 26. Mai vorherrschen werden, stehen eigentlich nur zwei Kandidaten für die Nachfolge von Jean-Claude Juncker als Präsident der Europäischen Kommission zur Verfügung – der Deutsche Manfred Weber und der Niederländer Frans Timmermans. Für Europa wäre es deutlich besser, würde keiner der beiden die Nachfolge Junckers antreten.

Der europäischen Demokratie fehlt vor allem eines – Transparenz. Ebenso wie 2014 werden die rund 500 Millionen Europäerinnen und Europäer ein wenig den neuen Präsidenten der mächtigen Europäischen Kommission wählen. Die „Spitzenkandidaten“ werden aber eben nicht gewählt. Das Ergebnis der Europawahl wird als eine Art Empfehlung für die Besetzung des Präsidentenposten der Kommission betrachtet, die man schon irgendwie berücksichtigen will, die aber nicht bindend ist. Was soll das denn? Wählen wir nun den neuen Präsidenten der Kommission oder nicht?

Was aber hat die großen politischen Familien Europas bewogen, mit Weber und Timmermans zwei Kandidaten für die Nachfolge von Timmermans zu küren, die perfekte Vertreter einer geölten Brüsseler Maschinerie sind, deren Kandidatur das Zeichen ist, dass weder die Konservativen noch die Sozialdemokraten irgendetwas an den aktuellen Missständen ändern wollen? Manfred Weber steht für die Fortführung des „Systems Schäuble“ (auch, wenn er gerne dem Europäischen Parlament ein Initiativrecht für die europäische Gesetzgebung geben würde), Frans Timmermans war in den letzten fünf Jahren erster Stellvertreter von Jean-Claude Juncker, der trotz all seiner tränenreichen Bekenntnisse zu Europa derjenige ist, der in seiner Amtszeit die Steueroase Luxemburg so belassen hatte, wie er sie als Premierminister seines Landes zuvor eingerichtet hatte. Hat in diesen fünf Jahren irgendjemand Frans Timmermans seinen Chef kritisieren gehört?

Europa verpasst gerade seine allerletzten Chancen, ein Auseinanderbrechen zu verhindern. Und einmal mehr merkt man, dass das Problem der europäischen Politik die Parteien sind, diese Apparate, bestehend aus Seilschaften und Gefälligkeiten, in denen Karrieren geplant, gelebt und beendet werden, in denen hinter den Kulissen ein brutales Hauen und Stechen um Posten und Kandidaturen herrscht, in denen es um alles geht, aber nicht um eine moderne Gestaltung einer Politik für die Bürgerinnen und Bürger.

Das „Rededuell“ zwischen Weber und Timmermans zur Prime Time in der ARD zeigte, dass die beiden im Grunde austauschbar sind. Zu allen wichtigen Themen sind die beiden ebenso hilflos wie ihre Vorgänger. Zu den brennenden Fragen der Zeit, von der Frage des von der EU verordneten Sterbens im Mittelmeer bis zum Klimawandel präsentierten die beiden die gleiche ideenlose Leere wie Jean-Claude Juncker. Und da beide wissen, dass sie schon irgendetwas präsentieren müssen, wird eben ein wenig in die Zukunft schwadroniert.

Beide Kandidaten für den eigentlich wichtigsten Posten in Europa, der bei der Wahl zum Europäischen Parlament ein wenig gewählt wird (und dann auch wieder nicht…) wollen Mehrheitsentscheidungen in den Institutionen ermöglichen, aber gleichzeitig wollen sie keinen Föderalismus. Das ist wie ein Kinderwunsch ohne schwanger zu werden.

Im Grunde wurde bei diesem Duell, das kein richtiges Duell war, vor allem eines klar – die EU befindet sich in einer unglaublichen Krise. Und keiner der beiden Kandidaten wird die EU aus dieser Krise herausführen. Denn leere Worthülsen und Slogans reichen einfach nicht mehr aus, die Probleme Europas zu lösen.

Schade, dass die europäischen Parteien so organisiert sind wie vor 100 Jahren. Man dient sich als braver Parteisoldat so lange hoch, man handelt sich durch die Seilschaften, man baut an Netzwerken und Machtstrukturen und irgendwann wird man Kandidat. Nicht unbedingt, weil man das politische Talent dazu mitbringt, sondern eher so wie bei der turnusmäßigen Beförderung von Beamten. Dazu kommt auch noch der Versorgungsgedanke für Politiker, für die man keine rechte Verwendung mehr hat, die aber noch nicht im Rentenalter sind. Frans Timmermans ist dafür ebenso ein Beispiel wie der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger. Doch Europa ist als Müllhalde für abgehalfterte Politiker zu wichtig – was dann eher für Weber sprechen würde.

Doch Weber, guter Kumpel von Viktor Orban (auch, wenn der Weber gerade die Unterstützung der rund 20 ungarischen EU-Abgeordneten entzogen hat), steht für die Fortführung der deutschen Austerität, ja, sogar der „Germanisierung“ Europas. Als ob Deutschland hinter den Brüsseler Türen nicht bereits schwer genug wiegen würde…

Das Rededuell der beiden brachte zumindest eine klare Erkenntnis – keiner der beiden sollte neuer Präsident der EU-Kommission werden. Zumindest dann nicht, wenn einem Europas Zukunft am Herzen liegt.

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