Weihnachten 2019 : Jede Menge Waffen unter dem Weihnachtsbaum

Alain Howiller schaut sich den Bericht des Stockholmer Instituts SIPRI noch einmal genauer an. Und dieser Blick zeigt, dass es gerade nicht so richtig toll um die Welt bestellt ist.

SIPRI - Forschung für den Frieden in einer von Konflikten gezeichneten Welt. Foto: https://sipri.org

(Alain Howiller / KL) – In unserem Beruf gibt es Themen, die mit großer Regelmäßigkeit wiederkommen – und dabei gibt es erfreuliche und weniger erfreuliche Dinge. Es gibt witzige Themen und Dinge, die uns zum Lachen bringen. Aber es gibt auch traurige und bittere Themen, die immer wiederkommen. Zur aktuellen Weihnachtszeit haben wir ein eher bitteres Thema. Die Veröffentlichung der 50. Ausgabe des Jahrbuchs des „Stockholm International Peace Research Institute – SIPRI“ zeigt einmal mehr auf verstörende Art und Weise den aktuellen Zustand der Welt. Das 1966 in Stockholm gegründete unabhängige Institut untersucht den Frieden auf der Welt, die Entwicklung von Konflikten, die Herstellung und den Verkauf von Waffen und die Fortschritte in der Abrüstung. Das Institut, das von der UNESCO für seine Forschungen ausgezeichnet wurde, ist eine Autorität in diesem Bereich.

Die Konklusion des aktuellen Jahresberichts lässt es einem kalt den Rücken herunterlaufen: „Trotz einiger positiver Zeichen“, sagt die Analyse, „bleiben die Rüstungsausgaben, der Transfer von Waffen und das Auftreten von Konflikten allgemein hoch auf der Welt. Die Waage schlägt allgemein in die negative Richtung aus…“ Der Text spricht von „Zweifeln an der Wirksamkeit und der Zuverlässigkeit der Abrüstungsvereinbarungen und der Rüstungskontrolle im internationalen politischen Klima… Die Rüstungsausgaben haben 2,1 % des weltweiten BIP erreicht und sind seit 2009 um 5,4 % gestiegen (was eine Ausgabe von 239 Dollar pro Weltbürger entspricht!).

Export und Arbeitsmarkt: eine Schlüsselindustrie der Wirtschaft – In Westeuropa sind die Rüstungsausgaben im Jahr 2018 um 1,4 % im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Nur drei Länder haben ihre Verteidigungshaushalte nicht erhöht. Während die Ukraine (13.000 Tote in fünf Jahren!) aktuell der einzige Kriegsschauplatz in Europa ist (wobei man die Spannungen in den ehemaligen Republiken der Sowjetunion nicht vergessen darf), zählt das SIPRI sieben bewaffnete Konflikte im Mittleren Osten, 11 Konflikte in der Subsahara-Zone, Spannungen im Chinesischen Meer und im pakistanisch-indischen Grenzbereich, sowie in Afghanistan! Fünf Länder stehen alleine für 60 % der weltweiten Rüstungsausgaben, angeführt von den USA, China, Saudi-Arabien (trotz einer Senkung des Militärhaushalts um 6,8 % im Jahr 2018), Indien und… Frankreich. Die USA (36 % der weltweiten Rüstungsausgaben), deren Rüstungsausgaben sieben Jahre lang nicht erhöht worden waren, haben seit dem Amtsantritt von Donald Trump nicht nur die Gehälter der Soldaten angehoben (+ 2,4 % im letzten Jahr), sondern auch beschlossen, die Armee durch massive Investitionen zu modernisieren (einschließlich eines Weltraumprogramms).

Ergebnis: In der „Weltrangliste“ der Waffenproduzenten liegen fünf amerikanische Unternehmen auf den fünf ersten Plätzen und natürlich bestätigen die USA damit auch ihren ersten Platz unter den Waffenexporteuren! Die Rüstungsunternehmen spielen für den Arbeitsmarkt eine enorm wichtige Rolle: Auch, wenn es schwierig ist, die genauen Beschäftigungszahlen in diesem Sektor zu ermitteln, da der „militärisch-industrielle Komplex“ nicht klar definiert ist, so weiß man doch, dass die Rüstungsindustrie direkt oder indirekt ungefähr 160.000 Arbeitnehmer in Frankreich und 140.000 in Deutschland beschäftigt.

Frankreich und Deutschland auf Spitzenpositionen im Waffenexport – Die Rangliste der Waffenexporteure ist ein wenig überraschend, findet man doch hinter den USA, Russland, Frankreich, Deutschland, China, Großbritannien, Spanien, Israel, Italien auch – die Niederlande! Erstaunlich ist ebenfalls, dass Deutschland auf dem vierten Platz der Waffenexporteure liegt, sich die Bundeswehr allerdings in einem erbarmungswürdigen Zustand befindet und Berlin etwas weniger als 1,4 % seines Haushalts für Verteidigung ausgibt, weit entfernt von den 2 %, auf die sich Deutschland im Rahmen der NATO-Zusagen verpflichtet hatte. Massivere Investitionen in diesem Bereich sind nicht vor 2024 geplant. In zehn Jahren sollen die von Donald Trump gewünschten Beträge erreicht sein, da dieser gerne Waffen verkaufen möchte und nicht müde wird, die zögerlichen Anstrengungen der Europäer zu kritisieren (was auch Frankreich tut, das sich Mühe gibt, die Deutschen zu mehr Rüstungsausgaben zu bringen). Allerdings beziehen sich die französischen Bemühungen auf eine gemeinsame Verteidigungspolitik und die Absicht, eine Armee und Waffenhersteller ins Leben zu rufen, die das Label „europäische Union“ tragen. In einem seiner berühmten „Tweets“ bezeichnete der amerikanische Präsident die von Emmanuel Macron lancierte Idee einer europäischen Armee als „beleidigend“ für die USA und die NATO – und das, noch bevor der französische Präsident das Nordatlantische Verteidigungsbündnis als „hirntot“ bezeichnete.

Deutschland baut auf Waffenexporte im Wert von 7 Milliarden Euro (im Vergleich zu 4,8 Milliarden im Jahr 2018!) – die deutschen Waffenexporte stehen für 6 % des Welthandels in diesem sehr speziellen Bereich, während Frankreich 7 % des Waffen-Welthandels kontrolliert, aber beide liegen immer noch weit hinter den USA (34 %) und Russland (29 %). Zwischen 2014 und 2018 sind die deutschen Rüstungsexporte um 13 % gestiegen, während die französischen Rüstungsexporte im gleichen Zeitraum um 43 % wuchsen! Der Platz, den Frankreich und Deutschland in diesem Bereich einnehmen, flankiert von vier weiteren europäischen Ländern (bzw. fünf, denn nach einigen Berechnungen liegen die Ukraine und die Niederlande gleichauf), unterstreicht die Rolle der Europäer auf einem stark vom Wettbewerb geprägten Markt, der die Konflikte auf der Welt befeuert und Migrationsbewegungen von ansonsten dem Tode geweihten Bevölkerungen auslöst.

Schwarzer Humor und Zynismus in Peking. – Man braucht offenbar eine große Dosis schwarzen Humors und Zynismus, um die Ansicht des chinesischen Präsidenten Xi Jinping zu vertreten, der sagte, dass sein Land über „neue Waffen im Dienste des Friedens“ verfüge. Am 1. Oktober hatte er den 70. Jahrestag der Gründung der „Republik China“ mit einer gigantischen Militärparade gefeiert, bei der 15.000 Soldaten mit neuen Waffensystemen auf dem Platz Tiananmen und der Avenue des Ewigen Friedens paradierten. „Der chinesische Nationalfeiertag gehört all denen, die sich den Frieden in der Welt wünschen“, hatte der chinesische Präsident gesagt und fügte hinzu: „Keine Macht kann den Status unserer mächtigen Nation ins Wanken bringen, niemand kann unseren Vormarsch aufhalten!“ Seit 2009 sind die Militärausgaben Chinas um 83 % gestiegen und das Land gehört zu den 5 Ländern (USA, China, Saudi-Arabien, Indien und Frankreich), die laut SIPRI 60 % der weltweiten Waffenkäufe tätigen! Das klingt nach richtigem Friedenswillen…

Das Stockholmer Institut kommt zu einer wenig beruhigenden Schlussfolgerung: „Bei den meisten der aktuellen bewaffneten Konflikte kämpfen reguläre Armee, Milizen und bewaffnete Zivilisten Seite an Seite. Die Kämpfe finden nur selten auf definierten Schlachtfeldern statt, sondern sind eher punktuell, von variabler Intensität und unterbrochen von kurzen Waffenstillständen.“ Ist es dann verwunderlich, dass zwei von der UNO verabschiedete Texte wirkungslos geblieben sind? Ob es sich um das „Abkommen zum Waffenhandel“ handelt, das am 24. Dezember 2014 in Kraft getreten ist oder um den „Vertrag des Verbots der Nutzung von Atomwaffen“, der von den neun Ländern(1) boykottiert wird, die über Atomwaffen verfügen und immer noch auf seine Ratifizierung wartet – diese Abkommen scheinen keine Wirkung zu entfalten. Die Hoffnung stirbt zuletzt, dass eines Tages doch noch die Vernunft siegt, ohne gleich in die Naivität zu verfallen, die den Verfechtern dieser Abkommen von den „9 Atommächten“ vorgeworfen wird. Fröhliche Weihnachten trotzdem.

(1) – Es handelt sich um die USA, Russland, China, Pakistan, Indien, Großbritannien, Nordkorea, Israel und Frankreich.

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