Welche Bedeutung hat die Landtagswahl in Thüringen?

Obwohl Thüringen mit nur 2,2 Millionen Einwohnern nicht zu den bevölkerungsreichsten Bundesländern gehört, wird die Landtagswahl am Sonntag eine große Ausstrahlung auf die Bundespolitik haben.

Schönes Erfurt - hoffen wir, dass der dortige Landtag am Sonntag nicht zu braun wird... Foto: TomKidd / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Am Sonntag wird der thüringische Landtag in Erfurt neu gewählt. Dabei zeichnet sich immer mehr ein Ergebnis ab, das zu einer höchst schwierigen Regierungsbildung in Thüringen führen könnte.

Zunächst die Zahlen, die auf den letzten drei Umfragen der Forschungsgruppe Wahlen, von Infratest dimap und Vivey beruhen: Die Linke wird voraussichtlich das Rennen machen (27,6 %) – sie liegt bei allen drei Umfrageinstituten vorne. Auf den zweiten Platz käme die CDU (24,9 %), vor der seit dem Anschlag von Halle sinkenden AfD (22,0 %), der SPD (8,5 %), den Grünen (7,7 %) und der FDP (4,6 %), die am Wahlabend wohl lange um den Einzug in den Erfurter Landtag zittern muss.

Trotz des leichten Rückgangs der AfD, die zuletzt noch als zweitstärkste Kraft in Thüringen gehandelt wurde, würde diese Konstellation zu folgender Sitzverteilung führen: Die Linke 27 Sitze, CDU 24, AfD 21, SPD 8 und Grüne ebenfalls 8. Bei 88 Sitzen im Landtag sind für die knappste aller Mehrheiten 45 Sitze erforderlich. Man kann es drehen und wenden, wie man will – wenn die AfD aus einer Regierungskoalition heraus gehalten werden soll, was die Maßgabe für jede demokratische Partei sein muss, führt kein Weg an einer gemeinsamen Regierungsarbeit zwischen Die Linke und CDU vorbei, also zwei Formationen, zwischen denen die Abneigung und die inhaltliche Inkompatibilität kaum größer sein könnte. Zwar würde es bei diesem Wahlausgang theoretisch auch zu einer 1-Stimmen-Mehrheit für CDU und AfD reichen, doch würde alleine schon die Debatte darüber die CDU in ein tiefes Loch reißen. Zwar stehen viele CDU-Wähler deutlich näher am Gedankengut der AfD als der Die Linke, doch dürfte auch in den Berliner Parteizentralen klar sein, dass diejenige Partei, die den originären Sündenfall einer gemeinsamen Regierung mit der AfD vollzieht, auf Bundesebene auf lange Zeit hinaus disqualifiziert wäre.

Alles andere funktioniert nicht, was letztlich eine Rechenaufgabe ist. CDU-SPD-Grüne kämen auf 40 Sitze und verfehlen damit eine Mehrheit deutlich. Die Linke-SPD-Grüne käme auf 43 Sitze, was ebenfalls keine Mehrheit ist. Bleibt neben den sich von selbst verbietenden Optionen CDU-AfD und Die Linke-AfD nur noch Die Linke-CDU, die mit 51 Sitzen eine klare Mehrheit im Landtag hätte.

Man hat zwar in den neuen Bundesländern auf lokaler und regionaler Ebene weniger Berührungsängste und es gibt durchaus erfolgreiche Kooperationen zwischen Parteien, die auf Bundesebene nicht einmal miteinander reden wollen. Aber Die Linke mit der CDU?!

2,2 Millionen Einwohner Thüringens haben am Sonntag die Wahl – und natürlich können sie noch alles anders entscheiden. In den letzten Tagen vor der Wahl hat beispielsweise die AfD zahlreiche Wählerinnen und Wähler verschreckt – sollte ihr Ergebnis deutlich geringer ausfallen, wären plötzlich auch andere Konstellationen denkbar. Was natürlich auch für deutliche Verschiebungen bei den anderen Parteien gilt.

Die Bundespolitik wird am Sonntag sehr aufmerksam nach Erfurt schauen und auch in den darauf folgenden und sicherlich schwierigen Koalitionsverhandlungen ein Wörtchen mitreden. Für eine echte Trendwende gibt es allerdings keine Anzeichen, die ehemaligen Volksparteien werden wieder schlechte Ergebnisse einfahren, die SPD wird voraussichtlich unter 10 % bleiben und die FDP erst gar nicht in den Landtag einziehen, sollten sich die Umfragen bestätigen. Da ist kaum vorstellbar, dass sich plötzlich der Trend bei einer der im Abschwung befindlichen Parteien Rückenwind bekommt, der zu einem ganz anderen Ergebnis führt.

Die gute Nachricht lautet also, dass es auch in Thüringen gelingen wird, die AfD aus der Regierungsverantwortung herauszuhalten. Die schlechte Nachricht ist, dass es überhaupt so weit kommen kann, dass sich am Ende alle anderen Parteien zusammenraufen müssen, um die Höcke & Co. von der Regierungsbank fernzuhalten.

Wir befinden uns in einer Phase der großen Umbrüche, Deutschland steht an der Schwelle zu großen Problemen. Diejenigen Parteien, die heute noch mit einem Programm von gestern daherkommen, werden wie die Dinosaurier verschwinden. Thüringen könnte ein Signal für einen Aufbruch aussenden – doch steht zu befürchten, dass die 2,2 Millionen Wählerinnen und Wähler auch diese Gelegenheit verstreichen lassen und erneut den rechten Rand stärken. Sehr viele Gelegenheiten für eine Trendwende wird es kaum noch geben, aber Hand auf’s Herz – welche Partei hat im thüringischen Wahlkampf wirklich motiviert, überhaupt wählen zu gehen?

Also wird die ganze Republik am Sonntag um 18 gespannt auf die Bildschirme schauen und erst dann werden wir eine erste Ahnung haben, wohin sich Thüringen, aber auch ein Stück weit die Bundespolitik entwickeln werden. Hoffen wir mal das Beste…

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