Weltflüchtlingstag

Eigentlich müsste dieser Tag „Weltschamtag“ heißen, denn wie die Welt mit den Flüchtlingen umgeht, ist eine Schande. Ändern wird sich durch diesen Tag nichts.

Auch am Weltflüchtlingstag sucht die "Sea-Watch 3" mit 211 Flüchtlingen an Bord nach einem sicheren Hafen... Foto: Chris Grodtzki / Sea-Watch.org / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Heute werden wir wieder salbungsvolle Reden der hohen Politik hören. Man wird uns mahnen, uns an unsere humanistischen Werte zu erinnern, Flüchtlingen eine menschenwürdige Behandlung und Aufnahme zu gewährleisten und gleichzeitig schaut die ganz Welt wieder einmal weg, da die „Sea Watch 3“ mit 211 Flüchtlingen an Bord verzweifelt nach einem Hafen sucht, um diese sicher an Land zu bringen. Am heutigen Weltflüchtlingstag müssen wir uns alle schämen.

Momentan sind so viele Menschen auf der Flucht wie noch nie zuvor in der Geschichte der Menschheit. Nach Angaben der UNO suchen gerade 79,3 Millionen Menschen nach einem sicheren Zufluchtsort, also praktisch die gesamte Bevölkerung der Bundesrepublik, doch dies wird immer schwieriger, denn die Aufnahme von Flüchtlingen wird vielerorts abgelehnt. Da nützt auch kein Weltflüchtlingstag, denn an den Ursachen dieser dieser gigantischen Fluchtwelle arbeiten wir alle mit.

Kriege, Bürgerkriege, Hunger, Klimakatastrophen – die Gründe, warum Menschen aus ihrer Heimat flüchten, sind vielfältig und alle vom Menschen gemacht. An den Kriegen, wie beispielsweise in Syrien, arbeiten praktisch alle Mächte mit, die Bürgerkriege sind alle von Menschen angezettelt, Hunger und Klimakatastrophen sind vom Menschen und seiner Profitgier befeuert. Und an all diesen Dingen arbeiten wir alle mit, in erster Linie dadurch, dass wir Menschen und Parteien wählen, die hierfür verantwortlich sind.

In Libyen und den Ländern Ostafrikas unterstützen wir, also die EU mit den Politiker*innen die wir in die europäischen Institutionen direkt oder indirekt gewählt haben, eine Witzregierung, die das Land überhaupt nicht mehr im Griff hat, dafür aber kriminelle Banden unterstützt und ausrüstet, die Flüchtlinge jagen und auf Sklavenmärkten verkaufen, deren Familie erpressen, Frauen vergewaltigen und verschleppen – Hauptsache, man hält uns die Flüchtlinge vom Leib.

Doch die Flüchtlinge werden nicht weniger, sondern mehr. Dass viele Länder mittlerweile tatenlos zusehen, wie Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken, dass wir mit denjenigen kooperieren, die ihre Bevölkerungen unterdrücken und aushungern, dass wir alles daran setzen, Flüchtlinge davon abzuhalten, nach Europa zu kommen, ist eine historische Schande. Wenn heute dann die hierfür politisch Verantwortlichen heuchlerische Reden halten, in denen sie das Schicksal von Millionen Menschen mit Krokodilstränen beweinen, dann schlägt die Stunde der Scham. Denn wir alle tragen ein Stück Verantwortung dadurch, dass wir die Schreibtischtäter*innen wählen, die für das Elend, die Vertreibung und oftmals den Tod der Flüchtlinge mit verantwortlich sind.

Der Mangel an Solidarität alleine in der Europäischen Union ist eine humanitäre Bankrotterklärung. Die Visegrad-Staaten Ungarn, Tschechische Republik, Slowakei und Polen, die alle in ihrer jüngeren Geschichte Fluchten erlebt haben (alleine 250.000 Ungarn fanden 1956 Zuflucht in europäischen Ländern!) blockieren eine solidarische Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen und die übrigen EU-Mitgliedsstaaten haben längst den Versuch aufgegeben, die bereits im September 2015 beschlossenen Verteilungsschlüssel in die Praxis zu tragen.

Unsere Rüstungsindustrien profitieren prächtig von den Kriegen und Bürgerkriegen und haben keinerlei Interesse an einer Befriedung der Situation – im Gegenteil. Selbst während der Corona- und Wirtschaftskrise fordern die Kriegstreiber immer höhere Ausgaben in der Rüstung, wir bewegen uns faktisch auf einen „Kalten Krieg 2.0“ zu, der erneut Flüchtlingswellen auslösen wird.

Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die aktuellen Klimakrisen zu weiteren Flüchtlingswellen führen wird, beispielsweise wenn der Meeresspiegel weiter ansteigt und große Teile beispielsweise der Niederlande unbewohnbar werden. Werden wir auch dann sagen, dass das Boot voll ist? Dass wir nicht das ganze Elend der Welt aufnehmen können?

Der beste Weg, Flüchtlingswellen abzubauen, ist es, in den Herkunftsländern der Flüchtlinge für Lebensbedingungen zu sorgen, die es den Menschen erlauben, daheim zu bleiben. Dies allerdings erreichen wir nicht dadurch, dass wir mit Despoten und Diktatoren kooperieren, deren Geheimdienste ausbilden und ausrüsten und ihre Repressionsapparate auf westlichen Stand bringen, sondern indem wir Entwicklungshilfe an konkrete Projekte binden und deren Einhaltung überwachen. Bis es so weit ist, müssen wir Organisationen wie SOS Mediterranee unterstützen, die Menschenleben retten – dort, wo die EU und andere diese Menschenleben zu opfern bereit sind, um ja nicht unseren Wohlstand zu gefährden.

Und alle diejenigen, die an diesen Systemen der Unterdrückung, der Vertreibung, der Not und des Sterbens mitwirken, sollten sich heute möglichst still verhalten. Aber das werden sie nicht tun – stattdessen werden sie heuchlerische Reden schwingen und so tun, als hätten sie mit all dem nichts zu tun. Eine Schande!

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