Wenn der Rechtsextremismus nicht mehr schleichend ist

Nach Frankenstein, wo es die erste „Mini-Fraktion“ CDU-AfD im Gemeinderat gibt, nun ein NPD-Ortsvorsteher im Wetterau-Kreis, gewählt mit den Stimmen von CDU und SPD. Es wird immer schlimmer.

Wie 1933, alles keine Nazis, nur Protestwähler... Foto: Bundesarchiv, Bild 183-2005-0923-505 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Stefan Jagsch, NPD, ist der neue Ortsvorsteher eines Ortsteils von Altenstadt im Wetteraukreis. Gewählt mit den Stimmen von CDU und SPD, deren lokale Vertreter offenbar immer noch nicht verstehen, warum sich die Republik empört. Die einstimmige Wahl des NPD-Manns wurde damit erklärt, dass es keinen anderen Kandidaten für den Posten gab und dass „niemand sonst in der Lage ist Mails zu verschicken“. Und dann wundern sich die ehemaligen Volksparteien, dass sie von Wahldesaster zu Wahldesaster eilen…

Während in Thüringen ein Bernd Höcke von der Machtübernahme nach den Landtagswahlen in drei Wochen spricht, ist es unglaublich, dass ein NPD-Mann mit den Stimmen von CDU und SPD zum Ortsvorsteher einer kleinen Gemeinde gewählt werden kann. Natürlich findet das noch auf kleiner Ebene statt, doch die Entwicklung ist gefährlich. Die Rechtsextremen robben sich immer weiter an eine „politische Normalität“ heran und breiten sich wie Fliegen in der sommerlichen Speisekammer aus. Die Instinktlosigkeit der lokalen Politiker in den Gemeinden, in denen sich diese Dinge abspielen, ist schockierend. So rechtfertigte der CDU-Ortsrat Norbert Szielasko seine Stimme für den NPD-Mann damit, dass dieser sich „absolut kollegial und ruhig“ in den Sitzungen verhalte. All die Rechtsextremen, die momentan versuchen, sich als „bürgerliche Parteien“ zu gerieren, reiben sich die Hände – ihre Taktik geht auf, auch dank der Inkompetenz der Vertreter der früheren Volksparteien.

Jetzt, wo das Kind in den Altenburger Brunnen gefallen ist, fallen zwar die Reaktionen der Parteioberen von SPD und CDU heftig aus, sie fordern die „Annullierung“ der Wahl, sprechen von „Dummheit und Dreistigkeit“, und bescheinigen ihren lokalen Parteifreunden ein „unverantwortliches, pflicht- und geschichtsvergessenes Verhalten“. Das ist zwar die einzig richtige Reaktion, doch sie kommt zu spät, denn das, was die Rechtsextremen erreichen wollen, das haben sie bereits erreicht.

Dass es in einem CDU-Ortsverband „niemanden gibt, der sich mit Computern auskennt“ und so unüberwindlich schwere Aufgaben wie das Verschicken von Emails meistert, disqualifiziert solche Kandidaten und Kandidatinnen natürlich. Und ihre Parteien gleich mit.

Wählerinnen und Wähler solcher rechtsextremen Parteien wie NPD oder AfD sind diejenigen, die 1933 aus „Protest“ für die NSDAP gestimmt haben. Wer dadurch protestiert, dass er identitäre Extremisten, Xenophobe und „Deutschland-über-alles-Brüller“ wählt, der muss nicht unbedingt Nazi sein, doch er verhält sich wie einer. Rechtsextremismus ist kein Naturereignis, gegen das man sich nicht wehren kann, sondern das Ergebnis des Wahlverhaltens, die diese Ideologien zumindest gutheißen. Noch ist das Phänomen lokal, doch vielleicht ist es ab Oktober bereits regional. Wen die Vorstellung, dass eventuell künftig Rechtsextreme im Bundesrat über die deutsche Politik mitentscheiden können, nicht schockiert, wer dennoch sein Kreuz an der rechtsextremen Stelle macht, der ist für alles, was danach folgt, voll und ganz mitverantwortlich. In einem Land wie Deutschland ist die Entschuldigung, „man habe es ja nicht ahnen können“, schlicht und ergreifend nicht mehr zulässig. Wer jetzt die braune Welle nicht aufhält, wird selber Teil dieser Welle. Und damit für eine Gefahr für Deutschland.

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