Wenn ein Satz den Lauf der Geschichte verändert…

Am 9. November 1989 sagte Günter Schabowski, Mitglied des Politbüros der SED, einen Satz, oder vielmehr einen Halbsatz, der den Sturz des DDR-Regimes auslöste.

"Öh, das gilt ab sofort... unverzüglich!" - Mit diesem Satz leitete Günter Schabowski aus Versehen den Sturz des DDR-Regimes ein. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-1989-1109-030 / Lehmann, Thomas / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – „Öh, das gilt ab sofort“, sagte Günter Schabowski in der Pressekonferenz am 9. November in Ost-Berlin auf die Frage eines italienischen Journalisten, ab wann die gerade für DDR-Bürger verkündete Möglichkeit zu Reisen in den Westen gelten solle. Schabowski schaute nochmal durch seine Unterlagen und bekräftigte dann „unverzüglich“. Und damit nahm der Zusammenbruch der DDR seinen Lauf.

Minuten später versammelten sich DDR-Bürger vor den Grenzanlagen und skandierten „Wir sind das Volk!“ und „Macht das Tor auf!“. Der Druck wuchs von Minute zu Minute. Auch in West-Berlin versammelten sich die Menschen vor der Mauer und, ermutigt von der Ratlosigkeit der DDR-Grenzer und der BRD-Polizisten, begannen sie, auf die Mauer zu klettern. Noch Stunden vorher wäre auf sie geschossen worden, doch zu diesem Zeitpunkt war die Mauer im übertragenen Sinne bereits zusammengebrochen. Mit Hammer und Meißel wurden Stücke aus der Mauer geschlagen, die später zu typischen Souvenirs wurden.

Nicht vergessen sollte man allerdings die mutigen Grenzsoldaten am Grenzübergang Bernauer Straße. Da der wachhabende Offizier keine genauen Instruktionen erhalten hatte, handelte er auf  eigene Faust und verzichtete darauf, die Grenze mit Waffengewalt geschlossen zu halten. Das wâre theoretisch sein Auftrag gewesen und hätte er auf die heran drängenden Menschenmassen schießen lassen, hätte die „Friedliche Revolution“ in einem Blutbad geendet. Auch 31 Jahre später gebührt diesem Mann Dank und Anerkennung von beiden Seiten der ehemaligen Mauer.

Schabowskis Irrtum, denn das war es, da sich das „unverzüglich“ auf die Veröffentlichung der Mitteilung, nicht aber auf eine sofortige Grenzöffnung bezog, verhinderte, dass sich die zweite Reihe der SED noch am Wiederaufbau der DDR versuchen konnte, wie es Egon Krenz & Co. eigentlich vorhatten. Zu dem Zeitpunkt, als Günter Schabowski die Grenze öffnete, wollte die SED das DDR-Regime noch retten. Mit ein paar kosmetischen Änderungen.

Wir wissen alle, wie es weiterging. Die BRD schluckte die DDR (was wir ja erst vor 5 Wochen ausgiebig gefeiert haben), der Ostblock löste sich auf, die Perestroika nahm wesentlich wildere Züge an, als sich selbst Gorbatschow das vorgestellt hatte und die Welt veränderte sich.

Hat sich diese, unsere Welt in den letzten 31 Jahren zum Besseren entwickelt? Wohl eher nicht, bislang haben wir es nicht einmal geschafft, die Lebensbedingungen zwischen Ost und West anzugleichen. Seit dem Zusammenbruch der Systeme hat sich die Welt nicht etwa stabilisiert, sondern ist in ein tiefes Chaos gestürzt.

Aber 31 Jahre nach diesem denkwürdigen Tag und dieser denkwürdigen Nacht, in der unser Weltbild in seinen Grundfesten erschüttert wurde, darf man ruhig ein Gläschen auf den Versprecher von Günter Schabowski heben und vor allem auf den mutigen wachhabenden Offizier an der Bernauer Straße. Ohne diese beiden unfreiwilligen Helden stünde Deutschland heute anders da. Und nicht unbedingt besser.

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