Wenn Extremisten aus Versehen Recht haben

Der italienische Innenminister Matteo Salvini feuert Salve auf Salve auf alles, was sich bewegt. Blöd nur, dass er mit einigen seiner Ausfälle Recht hat.

Matteo Salvini hat nicht Unrecht, wenn er die mangelnde europäische Solidarität beklagt. Foto: Fabio Visconti / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Matteo Salvini ist der Meister der Hassrede. Sprachlich reduziert er Flüchtlinge auf den Status von Straßenstaub, den man nicht länger auf der „Fußmatte Europas“ abstreifen kann, er will Sinti und Roma zählen lassen und hat die „Aquarius“ und die „Sea Watch 3“ nicht in Italien anlegen lassen. Salvini steht für eine neue, harte Gangart der italienischen Regierung, nämlich die Gangart, die Frankreichs Präsident Macron als „zum Kotzen“ bezeichnet hat. Doch zum Kotzen ist, und da hat Salvini Recht, vor allem die europäische Politik.

Seit September 2016 weigern sich die meisten europäischen Länder, Flüchtlinge aus Italien und Griechenland aufzunehmen. Dies war die Absprache zwischen den Mitgliedsstaaten der EU, um beiden Ländern wenigstens 160.000 Flüchtlinge abzunehmen, um eine Art solidarischen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die meisten Flüchtlinge aus Afrika eben in Italien und Griechenland ankommen.

Dass nun zahlreiche europäische Länder mit dem Finger auf Italien zeigen, kommt in Rom nicht sonderlich gut an. Salvini erinnerte den französischen Präsidenten Macron daran, dass man keine Lektionen aus Paris akzeptieren würde, so lange Frankreich sein zugesagtes Aufnahmequota nicht erreicht habe und selbst seine Häfen nicht für Flüchtlinge öffnet. Nach den verbalen Ausfällen Macrons verlangt Salvini nun eine Entschuldigung aus Paris. Die natürlich nicht kommen wird.

Aber Salvini legt den Finger in eine offene Wunde. Die Frage der Aufnahme von Flüchtlingen ist die Schande Europas, der moralische Offenbarungseid unseres Kontinents. Da sind einerseits die Visegrad-Staaten Ungarn, Tschechien, Slowakei und Polen, die grundsätzlich die Solidarität verweigern und bei denen man sich langsam überlegen sollte, ob man ihnen nicht die Finanzhilfen streicht. Dazu kommen aber auch die Länder, die sich gerne als Oberlehrer Europas aufspielen und genau wissen, was die anderen machen sollen, ohne dabei selbst den eigenen, hohen Ansprüchen zu entsprechen.

Salvini will eine neue, europäische Debatte lostreten und diese Debatte muss dringend geführt werden. Denn nationale Lösungen, wie sie Horst Seehofer oder Sebastian Kurz fordern, haben keine Chance. Doch europäische Lösungen wird es kaum geben, solange die EU ein zahnloser Tiger ist, der zu keinem Thema zu gemeinsamen Positionen kommt. Und dann wundern wir uns, dass ein Land nach dem anderen in die Hände von neonationalistischen Extremisten fällt?

Europa steht tatsächlich am Scheideweg und man sollte die Handlungen und Aussagen der neuen italienischen Regierung ernst nehmen. Nur zur Erinnerung – zwischen Italien und Spanien liegt noch Frankreich. Also das Land, dessen Präsident es „zum Kotzen“ fand, dass Italien seine Häfen geschlossen hat. Seltsam, dass Macron es weniger „zum Kotzen“ fand, dass er die französischen Häfen ebenfalls geschlossen hielt.

Wenn sich Europa nicht selber abschaffen will, muss es sich ändern, schnell und radikal. Denn das, was Europa gerade abliefert, ist eine Schande. Und das ist genau das, was Matteo Salvini sagt. Schlimm.

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