Wenn gerade niemand hinschaut…

Mit dem Dekret 2020-151 hat die französische Regierung ein Instrument geschaffen, bei dem jedem Diktator das Herz aufgehen müsste – Überwachung total.

Ein frommer Wunsch - Frankreich perfektioniert gerade die Totalüberwachung. Foto: DTankersley (WMF) / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Im Moment ist die öffentliche Aufmerksamkeit voll und ganz vom Coronavirus in Anspruch genommen – der ideale Zeitpunkt für die französische Regierung, ein totalitäres Instrument zu schaffen, mit dem die Totalüberwachung der französischen Bevölkerung autorisiert wird. Mit Inkrafttreten dieses Dekrets können französische Behörden hoch sensible persönliche Daten von Bürgerinnen und Bürgern erheben und diese untereinander austauschen.

Eigentlich hatten die Franzosen im Frühsommer 2017 Emmanuel Macron zum Präsidenten gewählt, damit die Rechtsextreme Marine Le Pen nicht an die Macht kommt. Doch nun stellt sich die Frage, ob das wirklich die richtige Wahl war, denn der französische Präsident schafft langsam, aber konsequent die Bürgerrechte in Frankreich ab und richtet eine Art digitalen Totalitarismus ein, von dem man nur hoffen kann, dass dieser nicht eines Tages in noch schlechtere Hände fällt.

Mit dem Dekret 2020-151 wird die Polizei ermächtigt, Dateien über Personen zu führen, in denen Dinge wie deren rassische oder ethnische Herkunft erfasst werden, aber auch die politische Meinung, philosophische oder religiöse Ansichten, der Gesundheitszustand, gewerkschaftliches Engagement oder auch die sexuelle Ausrichtung der betreffenden Person. Der im Dekret stehende Zusatz, dass dies nur erlaubt ist, wenn die Behörden dazu eine „zwingende Notwendigkeit“ sehen, ist ein Gummiparagraph, denn er überlässt die Definition dessen, was eine „zwingende Notwendigkeit“ ist, einzig den handelnden Behörden.

Diese Daten dürfen dann auch innerhalb der Behörden munter weitergegeben werden, zum Beispiel an den Präfekten oder gar den Bürgermeister. Natürlich auch nur, wenn eine „zwingende Notwendigkeit“ vorliegt… und damit erschafft Emmanuel Macron den vollständig transparenten Bürger. Und das, obwohl das Gesetz eigentlich genau das verbietet. Denn das Sammeln genau dieser Daten untersagt das Gesetz 78-17 vom 6. Januar 1978 in seinem Artikel 6.

So entsteht nun also eine personenbezogene Datei, aus der verschiedene Behörden sofort entnehmen können, ob jemand Gewerkschafter ist, welcher Partei er oder sie nahesteht, ob die betreffende Person homosexuell ist, welcher ethnischen oder auch religiösen Gruppe jemand zugehörig ist – ein Erdogan oder Putin würden sich freuen, würden sie über eine solche Datei verfügen.

Nach dem „Anti-Schläger-Gesetz“, mit dem die französische Regierung bereits das Demonstrationsrecht aus den Händen der Justiz in die Zuständigkeit der Präfekten gelegt hat, also der Statthalter der Pariser Zentralregierung, ist dieses neue Dekret ein weiterer Schritt hin zum vollständig transparenten Bürger.

Das stellt sich die Frage, was eine Marine Le Pen so viel Schlimmeres in Frankreich hätte anstellen können als das, was Emmanuel Macron gerade macht. Als Antwort auf die seit 2018 andauernden sozialen Konflikte hält Macron lediglich massivste Polizeigewalt und eine neue Gesetzgebung bereit, mit der die persönlichen Freiheitsrechte abgeschafft werden. Nun liegt es an den Franzosen, sich für die nächsten Wahlen etwas anderes einfallen zu lassen als die Wahl zwischen Macron und Le Pen. Denn diese Wahl entpuppt sich mehr und mehr als die zwischen Pest und Cholera.

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