Wenn Herr Vizekanzler nicht zurechnungsfähig ist

Die Entschuldigungen, die für den Skandal um den österreichischen Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache angeboten werden, machen den ganzen Vorgang eigentlich nur noch schlimmer.

"Komisch", dachte Herr Strache, "dass die Russen Waschpulver auf dem Tisch verstreuen..." - danach erinnerte er sich an nichts mehr... Foto: Zxc / Wikimedia Commons / PD

(KL) – War er nun betrunken, war er zugekokst oder wurden ihm KO-Tropfen verabreicht – die „Rechtfertigungen“ für den Versuch des rechtsextremen FPÖ-Politikers, die Pressefreiheit und die faire Vergabe von staatlichen Aufträgen an eine russische Oligarchentochter zu verhökern, machen alles noch schlimmer. Doch die Version, die jetzt von den Rechtsextremen trotzig veröffentlicht wird, zeigt eigentlich nur, was für ein Sumpf die rechtsextreme Politikszene Europas ist.

Die Erklärung seines ebenfalls in der inzwischen berühmt gewordenen Videosequenz zu sehenden Kollegen Johann Gudenus klingt sehr fadenscheinig. Der Mann behauptet allen Ernstes, Heinz-Christian Strache sei „ein willkommenes und willfähriges Opfer“, dem man KO-Tropfen verabreicht hätte. Nur, wem solche Drogen verabreicht werden, der führt keine angeregten Gespräche darüber, wie man Staatsaufträge an österreichischen Anbietern vorbei nach Russland schleusen und dies dann durch eine Gleichschaltung der Massenmedien bemänteln kann. Das ist nun mal das Eigene an KO-Tropfen, dass man nach deren Einnahme KO ist und sicherlich keine solchen Gespräche führen kann. Also keine KO-Tropfen.

Doch Gudenus erweiterte seine persönliche Erklärung durch den Zusatz „KO-Tropfen oder andere Drogen“. Bei „andere Drogen“ kommt man der Sache schon näher, denn immerhin zeigte die genaue Analyse des Videos auf dem Tisch ein kleines Döschen, neben dem eine Linie weißes Pulver liegt. Die Darreichungsform schließt ein „Verabreichen“ aus, denn nichts in diesem Video deutet darauf hin, dass irgendeine Person im Raum von der Anwesenheit dieses weißen Pulvers sonderlich gestört sei. Auch deutet nichts auf eine zwangsweise Verabreichung von „Drogen“ an Herrn Vize-Kanzler hin.

Auch die Einlassung, er sei so betrunken gewesen, dass er stundenlange Filmrisse gehabt habe und sich an nichts erinnern könne, greift nicht so richtig. Denn jemand, der so betrunken ist, dass er Filmrisse hat, führt keine inhaltlich kohärenten Diskussionen um politische und wirtschaftliche Zusammenhänge – wer so betrunken ist, der lallt.

Wenn man also das Paket an „Rechtfertigungen“ anschaut, dann ist eigentlich nichts dabei, was die Situation entkräften oder auch nur beschönigen könnte. Ob Heinz-Christian Strache nun volltrunken, zugekokst oder anderweitig angeschlagen war, so bleibt doch der Inhalt dieses Videos, der betätigt, was viele schon seit langem vermuten. Europas Rechtsextreme sind willige Erfüllungsgehilfen der Interessen Russlands (und auch der USA, wenn Steve Bannon das Scheckbuch zückt) – die einzigen Interessen, die sie NICHT vertreten, sind die ihrer Länder und Europas.

Es ist zwar nachvollziehbar, dass die Rechtsextremen so kurz vor der Wahl in ganz Europa versuchen, diesen Vorfall kleinzureden, doch das wird kaum klappen, denn plötzlich interessiert man sich auch in anderen Ländern, in denen Rechtsextreme virulent und gut organisiert auftreten, für deren Finanzierungen und Überraschung – alle Wege führen über kurz oder lang nach Moskau.

Also, wenn Sie wünschen, dass Europa künftig von Menschen gesteuert werden, die sich im Vollrausch über alle Regeln der europäischen Zivilisation hinwegsetzen, um ihre persönlichen Ambitionen zu befriedigen, dann sollten Sie unbedingt für die Rechtsextremen in Ihrem Land stimmen. Sollten Sie dies nicht wünsche, dann sollten Sie auch von „Abstraf-Stimmen“ Abstand nehmen, denn diese Leute sind gerade dabei, Europa und ihren Ländern massiv zu schaden. Wer trotzdem rechtsextrem abstimmt, verliert damit auch die Berechtigung, zu einem späteren Zeitpunkt zu sagen „das konnte man doch nicht ahnen…“ – was die Neonationalisten gerade veranstalten, das kann man gar nicht mehr übersehen.

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