Wenn Politik plötzlich wieder Spaß macht

Die Umfragen zeigen es – in die deutsche Politiklandschaft ist richtig Bewegung gekommen. Bewegung? Die Dinge überschlagen sich. Aus der schwarz-roten Koalition könnte auch eine rot-schwarze Koalition werden…

"Was? Meine Wiederwahl ist nicht automatisch?!" - Foto: Harald Bischoff / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Mal ehrlich, irgendwie hatten wir uns doch schon fast damit abgefunden, dass die nächste Bundeskanzlerin wie immer Angela Merkel heißen würde. Die SPD dümpelte um die 20 % herum, die CDU knapp unter 40 % und es schien klar, dass egal, was passieren würde, Angela Merkel so lange Kanzlerin bleiben würde, bis sie keine Lust mehr hat. Aber das alles ist Makulatur – die Kandidatur von Martin Schulz hat eine Art politisches Erdbeben ausgelöst und die Karten werden gerade neu gemischt. Zum ersten Mal seit gefühlten Jahrzehnten liegt die SPD plötzlich in einigen Umfragen vor der CDU/CSU. Eine Sensation.

Hat die politische Lethargie in Deutschland nun ein Ende? Seit drei Legislaturperioden ist es eigentlich egal, was man wählt, am Ende heißt die Kanzlerin immer Angela Merkel. Fast hatte man das Gefühl, als habe Merkel eine Art automatischen Wahlgewinn eingebaut, denn gleich, wie die politischen Debatten lauteten, es lief immer wieder auf „Mutti“ hinaus. Bis Martin Schulz auf der Bühne der Bundespolitik auftauchte.

Gab es bislang als Alternative zum breiigen Merkel-Gabriel-Seehofer-Mampf nur die rechtsextreme AfD, repräsentiert Martin Schulz eine neue Alternative, um mit genau diesem Mampf Schluss zu machen und das, ohne für eine Partei zu stimmen, die zahlreiche Positionen vertritt, die kurz vor Mitte des letzten Jahrhunderts im braunen Deutschland aufgestellt wurden. Innerhalb von nur einer Woche sind überall spannende Diskussionen ausgebrochen, die Menschen diskutieren über politische Inhalte und wie immer am Ende Martin Schulz und die SPD auch abschneiden werden, man kann sich jetzt schon bei ihnen bedanken, dass sie einen demokratischen Prozess ausgelöst haben. Vorbei ist es mit dem achselzuckenden „wird ja eh die Merkel“, nun muss die angeschlagene Kanzlerin Steherqualitäten beweisen. Angesichts des deutlich unverbrauchteren Martin Schulz dürfte das aber schwierig werden, denn der Mann ist in Topform.

Dass auch die ansonsten eher eigenbrödlerische CSU die Zeichen der Zeit verstanden hat, erkannte man an der erfolgten Kandidatenkür der CDU/CSU, die gestern, völlig überraschend…, Angela Merkel als gemeinsame Spitzenkandidatin kürte. Noch vor zwei Wochen hätte sich Horst Seehofer eine Freude daraus gemacht, die Kanzlerin am Nasenring durch die Manege zu führen, aber gestern saß man friedlich beieinander und mühte sich, Harmonie an den Tag zu legen. Denn Merkels Wiederwahl ist auf einmal kein Selbstläufer mehr und selbst die CSU hat erkannt, dass man jetzt entweder versucht konstruktiv zu sein, oder aber gegen Schulz und seine wieder erstarkte SPD keine Chance hat.

Spannend wird es allemal. Nach den aktuellen Umfragen würde es wieder nur für eine große Koalition reichen, nur dass diese, sollten sich die Umfragen bestätigen, nicht unter Führung von Angela Merkel, sondern unter einem Bundeskanzler Schulz arbeiten würde. Ab sofort, und das ist eine gute Nachricht für uns alle, haben die Parteien keine andere Wahl, als richtige politische Angebote zu machen – denn das Rennen ums Kanzleramt ist plötzlich völlig offen!

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