Wenn Straßburg mal einen Titel verliert…

Seit bekannt wurde, dass Straßburg „nur“ noch die zweite Fahrrad-Stadt Frankreichs ist, weht ein scharfer Wind durch die Stadt. Denn Straßburg sammelt „Hauptstadt-Titel“ wie andere Briefmarken.

Auch ohne Titel ist Strasbourg eine tolle Fahrrad-Stadt! Foto: Mairie d'Ostwald / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Es wäre interessant zu untersuchen, warum die Stadt Straßburg so sehr auf „Hauptstadt-Titel“ erpicht ist. Liegt dem etwa ein provinzieller Minderwertigkeitskomplex zugrunde? Die Europahauptstadt, Hauptstadt des Elsass, der Weihnacht, der Liebe, der Menschenrechte und so vieler anderer Dinge könnte eigentlich auch ganz gut damit leben, „nur“ die zweite Fahrrad-Stadt Frankreichs zu sein. Aber dem ist nicht so. Selbst die Stadtspitze sah sich genötigt, mit einer Presseerklärung auf diesen Skandal auf zwei Rädern zu reagieren…

Der Verband der Fahrradfahrer (Fédération des Usagers de la Bicyclette – FUB) hatte die Ergebnisse verkündet und siehe da, Grenoble liegt in der Kategorie „Städte über 100 000 Einwohner“ noch vor Straßburg! Ein Skandal! Dabei tun wir doch alles für den Fahrradverkehr in Straßburg! Nach Bekanntwerden dieses Skandals kam postwendend eine Pressemitteilung, aus der hervorging, was Straßburg alles für seine Fahrradfahrer tut, wie beispielsweise die Investition von 100 Millionen Euro in den nächsten fünf Jahren, mit denen das 600 km umfassende Fahrradwege-Netzwerk ausgebaut und vor allem, gesichert werden soll. Doch statt sich über den ausgezeichneten 2. Platz zu freuen, wendet man in der multiplen Hauptstadt Straßburg lieber den alten amerikanischen Satz an: „Der Zweite ist der Erste der Verlierer“.

Es werden sich sicherlich alle darauf verständigen können, dass Straßburg eine tolle Fahrrad-Stadt ist, ob mit oder ohne Titel. Und es könnte auch gut sein, dass dieser Titel eines Tages wieder ins Elsass zurückkehrt. Freuen wir uns also über die gute Platzierung und darüber, dass man in Straßburg wirklich gut mit dem Fahrrad unterwegs ist.

Beschäftigen wir uns also lieber mit der Frage, warum diese vielen Hauptstadt-Titel für Straßburg so wichtig sind. Ist es die Anerkennung von Rest-Frankreich und Europa, die Straßburg braucht? Glaubt man selber nicht an die eigene Größe? Die Jagd nach Superlativen und Hauptstadt-Titels ist so auffällig, dass sich die Frage nach dem „warum?“ aufdrängt. Die Fahrrad-Stadt Straßburg ist natürlich nicht weniger wert, nur weil dieses Jahr Grenoble mal die Nase vorne hat.

Gewiss, OB Jeanne Barseghian hat Grenoble gratuliert und dabei richtigerweise festgehalten, dass immer mehr französische Städte massiv in die Fahrrad-Infrastruktur investieren und damit den PKW-Verkehr in den Innenstädten immer weiter reduzieren, was sich natürlich positiv auf die Luftqualität und auch die Unfallzahlen auswirkt. Doch ein Problem gibt es im Zusammenhang mit dem Fahrradfahren in Straßburg noch und darauf wies auch die zuständige beigeordnete Bürgermeisterin Sophie Dupressoir hin – den Fahrradklau, der in der Hauptstadt von fast allem geradezu notorisch ist. Ansonsten – herzlichen Glückwunsch zur Silbermedaille, liebe Fahrrad-Stadt Straßburg!

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