Wenn Worte Tanz werden
Freiburg bietet immer wieder sinnliche Kunstüberraschungen von großstädtischem Format.
(AB) – Im Kunstbusiness ist Freiburg eigentlich ein kleines Nest, irgendwo in der Südwestecke der Republik, beschaulich, unspektakulär, provinziell. Manchmal gibt es aber auch hier kulturell Unerwartetes von Format, bei dem sich Mancher verwundert die Augen reibt. Die Ausstellung “Schule von Freiburg” im Museum für Neue Kunst (siehe unser Bericht) ist so ein Ding, die Tanzperformance “Horizont” am zurückliegenden Sonntag im Innenhof der Archäologischen Sammlung der Freiburger Universität ein weiteres.
Auf die Idee muss man erst Mal kommen: Ein Tänzer bewegt seinen Körper zu den gelesenen Worten 4.000 Jahre alter, ägyptischer Texte, die zuvor ins Deutsche übersetzt wurden. Dazu präsentiert ein Mitstreiter gegenständliche, archaische Skulpturen, die gut und gerne aus dem alten Ägypten hätten stammen können, und das an einem Ort, der sich noch lange nicht in das kollektive Freiburger Kunstgedächtnis eingebrannt hat.
Das alte Herder-Verlagsgebäude aus dem Jahr 1912 an der Hermmann-Herder-Straße wurde schon 1992 zu weiten Teilen an das Land Baden-Württemberg verkauft, das den roten Klotz inzwischen weitgehend der Freiburger Universität ans Bein band. Während Reste des dazumal großen Herder-Verlags noch im Südflügel residieren, ließ die Universität 2012 einen der beiden beeindruckenden Innenhöfe mit einer gewaltigen Glaskonstruktion überdachen, die mit ihren vier sich baumartig verästelnden Stützen unmittelbar an Antoni Gaudis Kathedrale “Sagrada Famila” in Barcelona erinnert.
Die Universität nutzt den großen und nunmehr überdachten Innenhof für representative Empfänge und Veranstaltungen und hat im ehemaligen, unterirdischen Papierlager des Verlags eine vom Archäologen Dr. Jens-Arne Dickmann kuratierte Sammlung mit Statuen, Keramiken und Tonfiguren untergebracht. Allein diese ist schon sehenswert.
Und nun perlte hier eine kleine Veranstaltung des Freiburger Open-Art-Festivals in besagtem Innenhof auf: Natural Orlando Fosuhene, ein junger, zeitgenössischer Tänzer, malte in feinsinnigen Bewegungsabläufen fließende Einmannbilder auf den Meeresgrund unter der baumhohen Innenkuppel, während Dominik Beller archaische Skulpturen des Bildhauers Sven Schillings bedächtig in Bewegung und Schwingung versetze – zu den Worten des Sprechers Johannes Hepp.
Dieser fein aufeinander abgestimmte, minimalistische Aktionismus eröffnete den rund 60 Besuchern vor Ort tatsächlich einen ungeahnten “Horizont”, erlebten sie doch ein seltsames Uhrwerk beim gemächlichen Ticken, das solcherart Bögen schlug von einem sehr viel früheren Früher ins Hier und Jetzt. Dabei ließ sich wunderbar – wie es guter Kunst zu eigen sein kann – das Sich-Vergessen streifen.
Oder, wie es die Veranstalter sagten, es galt “einen Berührungspunkt dreier großer Künste” beizuwachen, der bildenden Kunst, der Literatur und des Tanzes. Vor allem dank der äußerst geschmeidigen Ausdrucksfähigkeit des Tänzers, die hier gern unterstrichen sei, durfte sich das Experiment den Gelungen-Stempel abholen.
Sehen Sie selbst, hier in unseren exklusiven eurojournalist.eu-Videos:
Videos: Arne Bicker
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