Wer hätte denn das gedacht…

Londons Bürgermeister Sadiq Khan ist zu einer überraschenden Erkenntnis gelangt: „Der Brexit funktioniert nicht“. Das allerdings hätten die Briten auch vorher wissen können.

Was den Brexit angeht, teilen heute 2/3 der Briten diese Ansicht... Foto: Stephen Bingham / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – Es herrscht Katerstimmung auf der britischen Insel. Die Queen ist tot, in vielen Geschäften sind die Regale leer und Großbritannien steht in einer Zeit der Weltkrisen ziemlich alleine da. Dass nun der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan, der immer schon ein Gegner des Brexit war, Klartext redet, war höchste Zeit. Doch die Überlegungen, wie man aus dieser Misere wieder herauskommt, gehen alle am Thema vorbei. Sollte sich Großbritannien je wieder der EU annähern, was sich Sadiq wünschen würde, dann könnte eine solche Annäherung nur zu den Bedingungen der EU erfolgen und die Briten müssten das entweder akzeptieren oder eben nicht. Die Zeiten, in denen die Cameron, May, Johnson oder Truss versuchten, die EU am Nasenring durch die Manege zu führen, sind vorbei.

Erstaunlich ist allerdings doch, dass es die Briten über so viele Jahre nicht geschafft haben, so etwas wie eine Perspektive für die Zeit nach dem Brexit zu entwickeln. In einer Art nationalistischem Rausch wollten die Briten „Great Britain great again“ machen, doch das ist gründlich in die Hose gegangen. Was für Vorteile ein Brexit bringen sollte, konnten bislang noch nicht einmal die Verfechter des Brexit selbst erklären.

Und heute? Nach Umfragen finden mehr als zwei Drittel der Briten heute, dass der Brexit ein Fehler war. Doch ist erstaunlich, dass es dann überhaupt zum Brexit gekommen ist, denn immerhin hatten die Briten mehrfach die Gelegenheit, diesen Irrsinn an der Wahlurne zu stoppen. Stattdessen stolperten sie den Hurra! schreienden Nationalisten wie Nigel Farage hinterher und verpassten alle Gelegenheiten, einfach mal nachzudenken. Dass sie jetzt, wo die Konsequenzen eintreten, die sich bereits vor dem Vollzug des Brexit abzeichneten, diesen am liebsten vergessen würden, ist eine Tragödie für diejenigen, die für „Remain“ gestimmt hatten, und im Grunde eine „gerechte“ Entwicklung für diejenigen, die einen dumpfen und ziellosen Nationalismus höher eingeschätzt haben als den internationalen Zusammenhalt.

Gewiss, die EU ist alles andere als perfekt. Schlimmer noch, mit ihren Institutionen ist die EU momentan im Sog der Korruption, doch wäre es zielführender gewesen, hätten die Briten (und andere) auf die längst überfällige Reform der EU gedrängt, statt das Kind mit dem Bad auszuschütten.

Natürlich kann es Wege für Großbritannien zurück in die EU geben. Allerdings ist die Zeit der Sonderregelungen und Privilegien, die einst eine Margaret Thatcher ausgehandelt hatte, vorbei. Der Schaden, den Cameron, May, Johnson und Truss ihrem Land zugefügt haben, ist immens. Und Wege zu Lösungen werden hart und steinig werden und das ist genau das Gegenteil dessen, was die Briten eigentlich wollten. Und einmal mehr sieht man, dass Nachdenken vor Wahlen keine schlechte Idee ist. Auf jeden Fall eine bessere Idee als hinterher zu heulen…

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