Wer ist in Frankreich arm – und wer reich?

Eine Untersuchung des „Observatoriums für Ungleichheiten“ zeigt, wer in Frankreich reich, mittelmäßig reich und arm ist. Am Ende ist alles eine Frage der Definition…

Dass Menschen in unseren reichen Ländern betteln müssen, ist eine Schande. Aber nicht etwa für die Bettler... Foto: Joe Mabel / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Wer in Frankreich weniger als 1.102 € im Monat (nach Steuern) zur Verfügung hat, gilt als arm. Angesichts der ständig steigenden Lebenshaltungskosten ist das realistisch. Diese Grenze bezeichnet man als das „mediane Einkommen“, wer drüber liegt, dem geht es gut, wer drunter liegt, dem geht es schlecht. Doch innerhalb der beiden Hälften der Franzosen, denen es „gut“ oder „schlecht“ geht, gibt es enorme Unterschiede, wie das „Observatorium für Ungleichheiten“ feststellt.

So ist es eben mit statistischen Zahlen. Sie geben lediglich Auskunft über sehr allgemeine Situationen, ohne dass sie Einzelschicksale berücksichtigen können. Wer beispielsweise 1.103 € im Monat zur Verfügung hat, gilt als „reich“, ohne allerdings reich zu sein. Um diese Zahlen besser einzukreisen, schlägt das „Observatorium für Ungleichheiten“ vor, auch eine Definition für „reich“ einzuführen, die so aussehen soll: Als „Reich“ sollen Einzelpersonen gelten, denen monatlich 3.673 € zur Verfügung stehen, beziehungsweise Paare ohne Kinder mit monatlich 5.500 € oder Familien mit 2 Kindern, die über 7.700 € im Monat verfügen.

Doch warum ist eine solche Definition wichtig? Aktuell erleben wir eine Situation, in der bereits mehrfach der Staat eingreifen musste, weil bestimmte Kosten durch die Decke gingen. So zahlte der französische Staat im Winter eine „Benzinprämie“ von 100 €, die all denjenigen überwiesen wurde, die nicht mehr als 2.000 € im Monat verdienen. Gleiches ist nun wieder geplant, da die Energiepreise immer weiter steigen und die Inflation galoppiert und viele Familien nach den Sommerferien Probleme haben werden, alleine die Schulmaterialien für ihre Kinder zu bezahlen. Da macht es Sinn, anhand solcher Definitionen Hilfen gezielt an diejenigen auszuzahlen, die sie benötigen, statt das Geld auch an diejenigen auszuschütten, die es gar nicht brauchen und sich höchstens darüber freuen, dass ihnen der Staat einen zusätzlichen Restaurantbesuch spendiert.

Die Überwachung der Armutsgrenze ist speziell in einer Zeit wichtig, in der die Inflation derartige Dimensionen annimmt, dass viele „ärmere“ Menschen Probleme haben, sich gegen Monatsende mit dem Nötigsten zu versorgen. Hier handelt es sich um eine gesellschaftliche Entwicklung, die viel Sprengstoff birgt und um die man sich kümmern muss, bevor ein großer Teil der Bevölkerung abgehängt wird.

Es stellt sich die Frage, nachdem das Europäische Parlament für einen europäischen Mindestlohn gestimmt hat, ob es möglich ist, europäische Standards für solche Definitionen einzuführen. Die Schwierigkeit dürfte darin liegen, dass die Kaufkraft in den europäischen Ländern sehr unterschiedlich ist. Jemand, der in Griechenland oder Portugal oder gar den Balkan-Staaten monatlich über 1.102 € verfügt, kann damit prächtig leben, während die gleiche Summe in den skandinavischen Staaten nicht einmal bis zur Monatsmitte reicht.

Immerhin, alleine die Forschung an dieser Thematik zeigt, dass man es auf Seiten der Politik verstanden hat, dass man die sozialen Ungleichheiten nicht mehr als „gottgegebenes Übel“ betrachten kann. Man darf gespannt sein, ob diese Erkenntnis zu einem sozialeren Europa führen wird oder ob die EU weiterhin überwiegend als Erfüllungsgehilfe des großen Kapitals agieren wird.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste