Wer steckt hinter den Briefbomben?

Nach dem Sprengstoffpaket, das an den deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble adressiert war, explodierte eine ähnliche Sendung am Sitz des IWF in Paris. Schwer zu glauben, dass beide Anschläge nicht zusammenhängen.

Bereits kleinere Explosionen von Sprengstoff können schlimme Verletzungen zur Folge haben... Foto: Maxim Bilovitskiy / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Wer steckt hinter den postalischen und feigen Anschlägen der letzten Tage? Nachdem ein handwerklich gebastelter Sprengkörper in einem an Wolfgang Schäuble adressierten Paket im Finanzministerium in Berlin entschärft werden konnte, kam es am Donnerstag zu einem ähnlichen Anschlag mit einer Briefbombe am Sitz des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Paris, der allerdings weniger glimpflich verlief. Die Mitarbeiterin, die den Umschlag öffnete, erlitt Verletzungen im Gesicht und an den Händen.

Die Ermittler in Deutschland ließen durchblicken, dass das an Wolfgang Schäuble adressierte Paket aus Griechenland stammen könnte, was einer gewissen Logik folgen würde, denn die von Wolfgang Schäuble mit zu verantwortende europäische Politik zum Thema Griechenland hat an der Ägäis zu einem sozialen Kahlschlag geführt, der wiederum zahlreiche persönliche Tragödien zur Folge hatte und hat. Ein Racheakt unzufriedener oder verzweifelter Griechen?

Der Anschlag auf dem IWF könnte ähnliche Hintergründe haben, ist der IWF doch ebenso wie die EU und andere Institutionen in der „Griechenland-Rettung“ (bei der nicht Griechenland gerettet wird, sondern die international agierenden Banken gemästet werden…) involviert. Natürlich muss nicht einmal die Frage diskutiert werden, ob man solche feigen Anschläge verurteilt oder nicht – selbstverständlich kann es keine Antwort auf egal welche Frage sein, Menschen zu verletzen oder deren Tod billigend in Kauf zu nehmen. Aber dennoch lohnt es sich zu schauen, was Menschen dazu bewegt, vom einfachen Bürger zum Hobbyterroristen zu werden.

Griechenland 2017, das ist Verzweiflung pur. Das soziale Netz des Landes wurde auf Befehl der Troika zerstört, die medizinische Versorgung steht faktisch nur noch Menschen offen, die bar bezahlen können, die wenigen Gewinne bringenden Staatsunternehmen mussten privatisiert werden, die Arbeitslosigkeit und die Perspektivlosigkeit grassieren und im Sommer steht nun die nächste Milliardentranche an Rückzahlungen an, deren Betrag nur einen Teil der Kredittilgung vorsieht, dafür aber saftige Zinsen für die an den Operationen beteiligten Banken. Dass angesichts dieses Ausblutens Griechenlands der eine oder andere die Nerven verliert, ist zwar verwerflich, aber gleichzeitig auch nachvollziehbar.

Gewalt ist immer abzulehnen. Doch würde es auch einmal Sinn machen, sich die Frage zu stellen, ob nicht die europäische Politik zum Thema Griechenland unter den Oberbegriff „Gewalt“ fällt. Ist es etwa nicht gewalttätig, wenn Menschen ihres sozialen Netzes beraubt werden, wenn, wie in Griechenland, die Anzahl der Selbstmorde rasant ansteigt und auch die Kindersterblichkeit in für Europa unübliche Höhen schnellt, wenn Kranke ihre Medikamente in der Apotheke nur noch gegen Bargeld erhalten, auch wenn sie versichert sind? Ist das etwa keine Gewalt?

Natürlich ist das keine Rechtfertigung für terroristische Gewalttaten. Natürlich nicht. Aber es wird dennoch Zeit, dass wir uns gemeinsam die Frage stellen, wo wir in Europa eigentlich hinwollen. Wirtschaftlich schwächer aufgestellt Länder wie Griechenland an die Wand zu drücken, damit sie die Standards starker Industrienationen erfüllen, ist illusorisch. Was uns zu der Frage führt, ob Europa nur ein Binnenmarkt für begüterte Mitgliedsstaaten werden soll, oder aber, ob wir ein solidarisches Europa wollen, in dem den schwächeren Ländern geholfen wird, ihre Standards zu verbessern. Eigentlich war immer die Rede von einem solidarischen Europa, doch das scheint heute nicht mehr der Fall zu sein. Auch das Gerede eines „Europas der verschiedenen Geschwindigkeiten“, eines Europas der Eurozone, zeigt, dass wir uns immer weiter vom Traum eines solidarischen und humanistischen Europas entfernen.

Wenn das alles so weitergeht, dann darf man sich nicht wundern, wenn es noch mehr solcher Anschläge gibt. Irgendwie ist es an der Zeit, so ziemlich alles zu ändern…

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