Wer wird der nächste Präsident der EU-Kommission?

Der Posten des Chefs der undurchsichtigen EU-Kommission ist sehr begehrt. Doch wer wird der nächste „Chef Europas“? Die Namen, die bisher gehandelt werden, lassen das Schlimmste befürchten.

Neben seinem Chef Jean-Claude Juncker konnte sich Frans Timmermans (links) kein scharfes Profil erarbeiten... Foto: EU2016 NL from The Netherlands / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Der Präsident der Europäischen Kommission, dieser ebenso mächtigen wie undurchsichtigen europäischen Institution, ist so eine Art Präsident Europas. Der aktuelle Amtsinhaber, der Luxemburger Jean-Claude Juncker, hat dieses Amt allerdings ab absurdum geführt. Als er Ministerpräsident Luxemburgs war, führte sein Land ein Steuersystem ein, dank dessen die 500 größten Konzerne der Welt in Europa praktisch keine Steuern zahlen. Während in Luxemburg von dieser Steueroase nach Angaben von Außenminister Jean Asselborn rund 2000 Arbeitsplätze von diesem Steuervermeidungs-System abhängen, entgehen allen EU-Mitgliedsstaaten die Steuereinnahmen der gewinnträchtigsten Unternehmen der Welt. Klar, dass der mächtigste Mann Europas in seiner Amtszeit nicht in der Lage war, dieses System in seinem Land zu kippen. Nun wird endlich sein Nachfolger bestimmt, doch die Namen, die momentan zirkulieren, nehmen einem jede Hoffnung, dass dieses Europa noch reformierbar ist.

Alleine die Art und Weise, wie der neue Präsident der Europäischen Kommission bestimmt wird, ist undemokratisch und seltsam. Wie bereits 2014 suggerieren die Parteien, dass die Europäerinnen und Europäer den Präsidenten der Europäischen Kommission bei der Europawahl im Mai bestimmen, doch das ist leider nicht so. Es wird angedeutet, dass der Chef der stärksten Liste bei der Europawahl automatisch auch zum Präsidenten der Kommission gewählt wird, doch dem ist nicht so. Der „Spitzenkandidat“ der stärksten Fraktion ist eben nicht auch automatisch der neue Präsident der Kommission, sondern die Parteien und Regierungen verständigen sich nach der Wahl auf den Nachfolger von Juncker. 2014 war es auch so, und wer sich erinnert, der weiß, dass 2014 das Duell Juncker – Schulz zwar an den Urnen entschieden worden war, woraufhin die Institutionen zurückruderten und verkündeten, dass die Bürgerinnen und Bürger den Präsidenten ja gar nicht wählen würden. Dieser „Verrat an der Demokratie“ schlug nur deshalb keine großen Wellen, weil man sich am Ende doch auf den Kandidaten einigte, dessen Fraktion die meisten Stimmen erhalten hatte – Jean-Claude Juncker.

Und wer wird der Nachfolger des Luxemburgers, dessen Politik der verschlossenen Türen Europa so viel Schaden zugefügt hat? Verschiedene Namen sind im Gespräch, von denen praktisch alle für nichts anderes als die Fortführung einer desaströsen Politik stehen, die Europa dorthin geführt hat, wo wir heute stehen. Warum es erforderlich ist, in einer Krisensituation für die Fortführung dieser Politik zu arbeiten, ist unverständlich.

Da wären zunächst die beiden Kandidaten der ehemaligen Volksparteien. Die konservative EVP schickt den Bayern Manfred Weber (CSU) ins Rennen. Weber hat den Vorteil, das Europäische Parlament gut zu kennen und er verfügt über ein funktionierendes Netzwerk auf allen politischen Ebenen. Doch wäre es der wohl schlechteste Zeitpunkt, diesen wichtigen Posten mit einem deutschen Kandidaten zu besetzen, denn die „Germanisierung Europas“ hat in den letzten Jahren enorme Schäden angerichtet, nicht nur in Südeuropa. Dazu steht Weber als Parteifreund Junckers sicher nicht für Reformen oder ein neues europäisches Projekt – doch „weiter so!“ kann momentan nicht das Rezept sein, Europa neues Leben einzuhauchen.

Die Sozialisten und Sozialdemokraten (S&D) bringen es gleich noch etwas heftiger. Mit dem Kandidaten Frans Timmermans, der als Erster Vizepräsident der Kommission Stellvertreter Junckers war, haben die Sozialisten und Sozialdemokraten ein deutliches Zeichen ausgesandt, dass sie in Europa nichts verändern wollen. In der letzten Legislaturperiode hat man vergeblich darauf gewartet, dass Timmermans auch mal eine Position gegen Juncker bezieht. Insofern ist Frans Timmermans nicht mehr als ein „Juncker 2“, das menschgewordene versprechen, nichts ändern zu wollen. Da versteht man, dass die Sozialisten und Sozialdemokraten in vielen Ländern Probleme haben werden, über die jeweiligen 4%- oder 5%-Hürden zu kommen. Offenbar hat die europäische Mitte-Links-Fraktion immer noch nicht mitbekommen, dass die Menschen sie nicht mehr wählen und warum.

Die französische Tageszeitung „Libération“ hat nun auch 3 Namen französischer Politiker ins Gespräch gebracht und auch diese Namen zeigen, dass man immer noch nicht versteht, woran Europa gerade krankt. Auf der Liste der Kollegen von „Libération“ steht Christine Lagarde, die hoch umstrittene Chefin des Internationalen Währungsfonds, eine Politikerin der alten Garde, verstrickt in zahlreiche Verfahren und definitiv eine Vertreterin der Generation, die gerade dabei ist, Europa an die Wand zu fahren. Sollte jemand wie Christine Lagarde ein solches Versorgungspöstchen zugeschustert bekommen, wäre das die Bankrotterklärung Europas. Gleiches gilt für den französischen Wirtschaftsminister Bruno Le Maire, der in seinem Amt gerade alles andere als eine bella figura abgibt. Der dritte Name auf der Liste ist dann der einzig wirklich interessante – Michel Barnier.

Der frühere Außenminister Barnier zeigte zuletzt als Verhandlungsführer der EU in den Brexit-Verhandlungen, dass er das Zeug dazu hat, Europa mit Entschlossenheit weiterzubringen. Zwar steht auch er für die „alte Welt“, doch verfügt er über Qualifikationen, die ihn als den aktuell besten Kandidaten erscheinen lassen. Einziges Problem – Michel Barnier will nicht so recht…

Und dann wäre da noch die Frage, warum eigentlich die Europäerinnen und Europäer bei der Besetzung solch wichtiger Posten nicht mitreden und abstimmen dürfen. Die Politik der verschlossenen Türen der Kommission ist ein politischer Anachronismus, ein Symbol für ein Europa, das nicht viel mehr als der Erfüllungsgehilfe der Finanzmärkte und Lobbys ist – und genau dieses Europa wollen die Menschen nicht mehr. Dass die ehemals großen Parteien nun genau diejenigen als Kandidaten küren, die für die Fortführung einer von den Bürgerinnen und Bürgern abgelehnten Politik stehen, beweist einmal mehr, dass die Politik inzwischen ihre Völker nicht mehr versteht. Mit diesen Kandidaten schafft sich Europa selber ab – und wird es vermutlich erst dann merken, wenn es zu spät ist.

Das Problem ist nicht Europa. Das Problem sind die Parteien, die nicht in der Lage sind, ihre Wahllisten nach Kompetenzen aufzustellen, sondern immer noch denken, dass ihre parteipolitischen Geplänkel irgendjemanden interessieren. Solange die Parteien Europa und die europäischen Institutionen als Müllhalde für im eigenen Land abgehalfterte PolitikerInnen missbrauchen, solange wird sich auch in Europa nicht viel ändern. Vielleicht sollte man bei der kommenden Wahl einmal mutig sein, und diejenigen Parteien wählen, die ein echtes Europa-Programm haben und nicht nur darauf erpicht sind, ihre Ehemaligen mit einem gut dotierten Pöstchen zu beglücken…

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