Wer zuletzt kläfft… Rheinoper Straßburg kommt auf den Hund

Ab Freitag zeigt die Rheinoper von Straßburg, wie es passieren kann, dass schließlich ein Hund die Macht im Staate übernimmt. Ein Schelm, der zu dem schelmischen Bühnenwerk von Jacques Offenbach Parallelen zur Welt da draußen zieht.

Es fängt immer alles mit guten Vorsätzen an, aber dann... Foto: Opéra National du Rhin / Klara Beck

(Von Michael Magercord) – Als der bereits gestandene Komponist Jacques Offenbach diese Oper schrieb und einem Hund die Titelrolle zudachte, erhob sich umgehend das Kläffen der Wachhunde von der Zensurbehörde: „Ein seltsames Werk das, obwohl es in Indien, dem Land der Fabeln und der Phantasie spielt, die souveränen Staatsorgane aller Zeiten und aller Länder immerfort ins Lächerliche zieht”, hieß es zum vorgelegten Libretto von Eugène Scribe.

Die Behörde hatte was gegen die allzu offensichtliche Satire auf Absolutismus und patriarchale Herrschaftsformen im Zweiten Kaiserreich unter Napoleon Drei. Doch Jacques Offenbach wollte sein Werk nicht vor die Hunde gehen lassen, also wurde der Text abgemildert, bevor er ihn vertonte. Am Heiligen Abend 1860 durfte ein großer Köter namens „Barkouf“ zum ersten Mal auf der Bühne knurren – und das Pariser Publikum war begeistert, bei der Premiere mussten drei Nummern wiederholt werden.

Die veröffentlichte Meinung hingegen zeigte sich nicht so tierlieb. Schlechter Geschmack, Sittenlosigkeit, dazu noch diese für einen ausgewiesenen Unterhaltungskomponist unerwartet komplexe Musik. Vergleiche mit dem in Paris schlecht gelittenen Richard Wagner musste sich der gebürtige Kölner nun gefallen lassen, ganz so, als würde plötzlich der Schwanz mit dem Hund wedeln.

Als Musikstudent ist Offenbach nach Paris gekommen und erfand dort ein eigenes Genre irgendwo zwischen Oper und Operette. Ein krummer Hund, der Komponist, der schwungvolle, eingängige Musik mit satirisch-hintergründigen Handlungen verband – das war zwar grenzwertig, aber ging noch durch. Doch dieser Barkouf? Die Bühne ist kein Platz für Tiere, das Werk erlebte seinerzeit nur acht Vorstellungen und die Partitur wurde nie veröffentlicht, abgesehen von zwölf Einzelnummern des Klavierauszugs.

Ausgekläfft also? Nein, denn vor etwas mehr als zwei Jahren hat der französische Sänger, Dirigent und Musikwissenschaftler Jean-Christoph Keck das Werk im Nachlassarchiv im Haus der Offenbach-Familie wiederentdeckt, also quasi – wenn noch eine weitere Metapher aus der Welt der Kynologie erlaubt sei – erschnüffelt und damit den schlafenden Hund geweckt. Nun steht er erstmals neu editiert und bühnenreif vor uns – und zwar in Straßburg.

In der Rheinoper wird wieder die Geschichte nicht nur von der Liebe zwischen der klugen Maïma und dem tapferen Saëb erzählt, sondern auch von einem rebellischen Volk in der fernen Provinz von Punjab, das ihre Gouverneure, die ihnen der Großmogul als Regenten schickt, regelmäßig defenestriert, also aus dem Fenster zu wirft. Nun reicht’s ihm, dem großen Herrscher, und sein Hund wird der neue Vizekönig, und siehe: Unter der Regentschaft einer knurrigen und zunächst etwas furchteinflößenden, aber letztlich treudoofen Töle lässt sich auch das aufmüpfigste Volk – endlich – regieren.

Ist das noch Satire? Oder eine Zustandsbeschreibung? Die Vergleiche auf die Lage in gar nicht allzu fernen Ländern zu gar nicht allzu fernen Zeiten drängen sich geradezu auf. Doch gerade deshalb ist nun größte Vorsicht geboten!

Aus diesem Grunde folgt nun eine Warnung vor dem Hunde: Ja, harmlos kommen die mit diesem beliebten Haustier verbundenen Metaphern daher, aber sind sie nicht auch immer etwas bösartig gemeint? Und ja, die abschätzigen Vergleiche zwischen Hunden und anderen Personen sind schnell gemacht, doch können böse Worte und falsche Begriffe nicht ganz schnell ebensolche Taten auslösen? Verletzt also nicht jemand, der auch nur eine Person als Hund zum Köter macht und dann noch die Frage stellt, wer dadurch mehr beleidigt würde, so etwas, was man damals die Gebote der guten Sitte genannt hat und heute etwas großspurig politische Korrektheit nennt – womit aber vielleicht nichts anderes gemeint sein sollte, als ein wenig Höflichkeit zu wahren?

Gottlob sind die Zeiten andere, Regierungsorgane darf man satirisch auf die Schippe nehmen, ohne eine Zensurbehörde fürchten zu müssen, und leider Gottes sind diese Zeiten andere, da in den sogenannten sozialen Netzwerken jeder noch so abwegige Vergleich in Windhundseile Verbreitung findet. Es ist also Fingerspitzengefühl nicht nur im Umgang mit dem domestizierten Getier gefragt, sondern auch mit renitenten Volksscharen – und sei es auch nur auf den Brettern, die die Welt ja bloß bedeuten.

Doch genau die nötige Sensibilität hat Mariame Clément, die bei der Wiederauferstehung des “Barkouf” an der Rheinoper die Regie führt. Schon beim „Liebesverbot“ von Richard Wagner vor zweieinhalb Jahren hat sie gezeigt, wie man im Streit um berechtigte Forderungen die gegenseitige Würde wahrt, und bei aller Turbulenz und Heftigkeit weder in den Klamauk noch ins Gegenteil, den Todesernst, abgleitet. So eignet sich die Bühne doch noch zum Vergleich, nun aber als Vorbild für die Welt da draußen.

Barkouf – komische Oper in drei Akten von Jacques Offenbach

Regie: Mariame Clément
Musikalische Leitung: Jacques Lacombe
Symphonie Orchester Mühlhausen

Straßburg – Opéra
FR 7. Dezember, 20.00 Uhr
SO 9. Dezember, 15.00 Uhr
DI 11. Dezember, 20.00 Uhr
DO 13. Dezember, 20.00 Uhr
MO 17. Dezember, 20.00 Uhr
MI 19. Dezember, 20.00 Uhr
SO 23. Dezember, 15.00 Uhr

Mulhouse – La Filature
SO 6. Januar, 15.00 Uhr
DI 8. Januar, 20.00 Uhr

Informationen und Tickets HIER.

Eine Begegnung mit der Regisseurin, dem Dirigenten und dem Wiederentdecker der Oper findet am 6. Dezember um 18.00 Uhr in der Librairie Kléber statt. Eintritt frei, Sprache ist Französisch.

Nächstes Rezital:
Songs of Life, Loss and Love…
Mezzosopranistin Alice Coote und Pianist Christian Blackshaw
Lieder von Brahms, Tschaikowski, Haydn, Schubert und Mahler
18. Dezember, 20.00 Uhr
Oper Straßburg

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