Wetten auf die Pandemie

Mit der „Pandemie-Anleihe“ hat die Weltbank ein Finanz-Instrument geschaffen, das eigentlich einen noblen Zweck verfolgt. Doch in der Praxis ist dieses Instrument der Gipfel des Zynismus.

Im Nachgang zur Ebola-Krise 2014 wurde die "Pandemie-Anleihe" ins Leben gerufen. Foto: ZeLonewolf / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) – Nach der Ebola-Krise 2014 hatte die Weltbank eine Idee. Nach drei Jahren der Vorbereitung legte sie 2017 den „Pandemie-Notfallfonds“ auf, eine Anleihe, die im Falle einer Pandemie in einen Fonds geleitet werden soll, um armen Ländern oder auch der Weltgesundheitsorganisation WHO schnell Mittel bereitzustellen. Gezeichnet wurden 320 Millionen Dollar und die Anleihe wurde schnell zum Liebling der Zocker unter den Investmentmanagern. Das Prinzip ist einfach – die Anleger erhalten aufgrund des Risikos für die Laufzeit von drei Jahren einen enorm hohen Zinssatz (zwischen 8 und 13 %!) und wenn in diesen drei Jahren keine Pandemie eintritt, erhalten die Anleger den kompletten Einsatz zurück und haben drei Jahre lang fetteste Zinsen kassiert. Einziger Haken, und der ist jetzt eingetreten – bei einer Pandemie ist der gesamte Einsatz futsch. Zwar haben die Anleger bislang sehr gute Zinsen kassiert, aber das eingesetzte Kapital ist jetzt eben weg. Aber was bitteschön kann es Zynischeres geben, als auf das Eintreten oder Ausbleiben einer weltweiten Gesundheits-Katastrophe zu wetten?

Die „Spielregeln“ für das Gezocke um Leben und Tod sind vom Prinzip her einfach (auch, wenn sie auf immerhin 386 Seiten des Vertragswerks festgehalten sind). Sobald mehr als 250 Menschen in dem Land gestorben sind, in dem die Pandemie auftritt (hier: China) und mehr als 20 Menschen in einem anderen, armen Land (dafür gibt es eine Liste, auf der beispielsweise Südkorea oder der Iran nicht stehen, weil sie zu reich sind) gestorben sind, kann der Fonds aktiviert werden. Diese Bedingungen sind natürlich lange erfüllt, aber dann gibt es eine weitere Klausel, die besagt, dass die Auszahlung erst 84 Tage nach dem Eintreffen des ersten entsprechenden Berichts bei der WHO erfolgen kann. Die WHO wurde offiziell am 21. Januar 2020 über die Krise in China informiert, was bedeutet, dass im günstigsten Fall die ersten Gelder im April ausgezahlt werden können.

In der Zwischenzeit haben die Papiere schlagartig bereits nach Angaben von Bloomberg 50 % ihres Werts verloren. Für die eiskalten Zocker auf den Finanzmärkten ist das richtig blöde, denn eigentlich wäre diese Anleihe Ende März, also heute ausgelaufen und die Spekulanten hätten ihr eingesetztes Kapital zurück erhalten.

Die Idee der Weltbank war sicherlich lobenswert. Unter dem Eindruck der Ebola-Krise 2014, die vor allem in den ärmeren Ländern Afrikas brutale wirtschaftliche Konsequenzen hatte (neben den schlimmen sanitären Folgen), wollte man ein Instrument schaffen, mit dem eben diese wirtschaftlichen Folgen abgefedert werden sollten. Doch dadurch, dass die Zinsen für dieses Instrument derart hoch waren, wurde es eben schnell zu einem Gegenstand der wohl übelsten Spekulation, die man sich vorstellen kann. Hart gesagt, haben die Finanzhaie auf das massenweise Sterben oder überleben von Menschen gewettet.

Man muss sich die Frage stellen, ob dieses Finanzsystem noch tragbar ist. Es kann doch wohl nicht wahr sein, dass wir in einer Welt leben, in der Börsenzocker mit dem Eintreten oder Ausbleiben von derartigen Katastrophen Geld gewinnen oder verlieren!

Es zeigt sich mehr und mehr, dass dort, wo die Börsen und Banken in die Prozesse eingebunden sind, Korruption und Zynismus vorherrschen und wenn man bedenkt, dass beispielsweise die EU alle paar Jahre Milliarden und Billionen in dieses korrupte System stecken muss, weil sich die Banken mit ihren Investment-Abteilungen wieder mal verzockt haben, dann wird deutlich, dass sich hier etwas ändern muss. So abgedroschen der Satz ist, aber wenn Gewinne privatisiert und Verluste vergemeinschaftet werden, dann stimmt etwas mit dem System nicht. Und daher sollte es schleunigst geändert werden.

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