Wichtiges und Unwichtiges

In der Sitzungswoche des Europäischen Parlaments in Straßburg fanden mehrere Abstimmungen statt. Auch zu weniger wichtigen Fragen.

Im Europäischen Parlament wurden diese Woche Themen ganz unterschiedlicher Bedeutung behandelt. Foto: Zairon / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Woran lag es, dass diese Woche das Programm im Europäischen Parlament in Straßburg fast ein wenig blutleer wirkte? Zu einem Zeitpunkt, an dem viele drängende Fragen auf dem Tisch liegen, die dringend gelöst werden müssen, vom türkischen Angriffskrieg in Syrien über die US-Zinspolitik hin zum Brexit, beschäftigt sich das Parlament mit allem Möglichen, nur nicht mit diesen Themen. Ob nun die Frage einer europaweiten Abkehr von der Sommer- und Winterzeit zu den ganz drängenden Fragen unserer Epoche zählt, bleibt dahingestellt.

Immerhin, das Parlament zeigte zu dieser Frage eine hohe Präsenz und 384 EU-Abgeordnete stimmten für die Abschaffung der Zeitumstellung und lediglich 154 dagegen. Und nun? Nun wird die Europäische Kommission das machen, was sie bereits seit einiger Zeit macht – sie wird in einer Arbeitsgruppe untersuchen, welche Auswirkungen eine Abkehr von der Zeitumstellung in Frühling und Herbst hat. Aber immerhin sieht es so aus, als würde die Zeitumstellung in absehbarer Zeit abgeschafft. Na dann.

Eine andere Abstimmung hatte da schon deutlich mehr Bedeutung. Der Versuch des französischen Präsidenten, einen ersten Ansatz für ein proportionales Wahlsystem auf europäischer Ebene einzuführen, wurde von denjenigen gestoppt, die immer behaupten, sie wollen Europa demokratischer und transparenter machen. Der Vorschlag von Macron lautete, 27 der 73 von den ausscheidenden britischen EU-Abgeordneten freigemachten Sitze im Parlament über ein proportionales System über europaweite Wahllisten zu besetzen. Dies wäre tatsächlich ein erster konkreter Reformschritt der Institutionen geworden, der zwar die Machtverhältnisse im Parlament nicht umgeworfen, dafür aber einen weiter gehenden Reformprozess ausgelöst hätte.

368 Abgeordnete stimmten gegen diese Reform und 274 dagegen – wobei besonders auffiel, dass die konservativen französischen Abgeordneten die Abstimmung nutzten, um Präsident Macron eines auszuwischen. Konservative Abgeordnete wie der Chef der französischen konservativen Abgeordneten Franck Proust drückten nach der Abstimmung ihre Freude aus, dass „Macron damit eine Niederlage erlitten habe“.

Diese Haltung der französischen Konservativen im Europaparlament zeigt die ganze Misere des institutionellen Europas auf – kleinkarierte Lokalpolitiker finden sich plötzlich ohne jegliche Qualifikation im Europaparlament wieder, wo sie mit genau den gleichen kleinkarierten Manövern weitermachen wie zuvor auf lokaler Ebene. Statt für europäische Reformen zu stimmen haben diese politischen Nacktschnecken gegen Präsident Macron gestimmt – solche Abgeordnete haben eigentlich in einem europäischen Parlament nichts zu suchen.

Es wäre an der Zeit, dass sich die Parteien endlich durchringen, die Sitze im Europäischen Parlament nicht nach parteiinternen Überlegungen, sondern nach europäischen Kompetenzen zu besetzen. Diese fehlen einigen Abgeordneten deutlich und es ist unerträglich, dass so dringend benötigte europäische Reformen aufgrund solcher kleinkarierten politischen Manöver verhindert werden. Aber wenigstens wissen wir jetzt, dass „Les Républicains“ 2019 zu denjenigen Parteien gehören, denen man bei der Europawahl nicht seine Stimme geben sollte – die schicken einfach die falschen Leute ins Parlament.

Nicht schlecht hingegen war die Entscheidung des Parlaments, künftig dafür zu sorgen, dass Gelder aus kriminellen Aktivitäten schneller eingefroren werden können, was die Geldwäsche in Europa deutlich erschwert.

Bleibt die Erkenntnis, dass die europäischen Institutionen tatsächlich reformbedürftig sind, aber vor allem, dass die falschen Leute im Parlament sitzen. Ein Sitz im Europäischen Parlament ist kein Ort, an dem abgehalfterte Politiker der nationalen Politik ihr Gnadenbrot knabbern, sondern wir brauchen gute, die besten Vertreter auf europäischer Ebene. Solange sich im Parlament Abgeordnete tummeln, die dort irrtümlich nationale Politik statt europäischer Politik betreiben, wird sich in Europa nicht viel ändern.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste