Wie aktuell sind heute noch Wahlempfehlungen?

Das kennen wir in Deutschland nicht – in Frankreich geben vor Wahlen viele Menschen öffentlich Wahlempfehlungen ab, die manchmal eher schaden als nützen...

Ob dieses "Triumvirat" Ries-Macron-Fontanel auch die Zustimmung der Strassburger Wählerschaft findet, ist mehr als offen... Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Im Grunde sind das Konzept der öffentlichen Wahlempfehlungen und das Konzept des mündigen Bürgers nicht miteinander vereinbar. Dennoch hält sich in Frankreich diese (Un-)Sitte hartnäckig im politischen Leben und vor Wahlen wie der anstehenden, landesweiten Kommunal- und OB-Wahl, rauscht es bereits wieder im Wald der politischen Empfehlungen. Ob sich Wählerinnen und Wähler davon beeindrucken lassen, steht dahin – doch es gibt auf jeden Fall auch Empfehlungen, die eine Kandidatur eher belasten als sie zu befördern.

Am letzten Wochenende gab der scheidende OB Straßburgs Roland Ries auch eine Wahlempfehlung ab und nutzte dabei die letzte Gelegenheit vor dem politischen Ruhestand, wie andere vor ihm auch die politische Familie zu verraten, der er seine gesamte politische Karriere zu verdanken hat. Sozialist bis vor wenigen Tagen, schlug sich Ries auf die Seite seines Kronprinzen Alain Fontanel, der zu den ersten gehört hatte, die der sozialistischen Partei PS den Rücken kehrten, um sich dem vermeintlichen Siegerteam der Regierungspartei „La République en Marche“ von Präsident Emmanuel Macron anzuschließen. Angesichts der katastrophalen Umfragewerte des Präsidenten erscheint nun die „Unterstützung“ durch Emmanuel Macron und Roland Ries wie ein Dolchstoß in den Rücken des Kandidaten Fontanel zu sein.

Warum nur konnte Roland Ries nicht schweigen und die Wahlen einfach laufen lassen? Er ist kein Kandidat mehr, er steht auf keiner Kandidatenliste, er hätte von der Höhe seines Amts diese Wahlen verfolgen können. Vielleicht wäre er damit sogar in die Reihe der „großen“ Bürgermeister der Stadt gerückt – doch mit dem „Verrat“ an seiner politischen Familie in letzter Sekunde hat Ries ein politisches Eigentor geschossen, das ihm lange nachhängen wird.

Seine Unterstützung für eine Liste, die ebenso von seiner politischen Dauergegnerin Fabienne Keller und zahlreichen “Dissidenten“ der Sozialisten unterstützt wird, dürfte Alain Fontanel eher schaden als nützen. Fontanel wird nun einerseits das schwache Bild des in Frankreich stark kritisierten Emmanuel Macron ausbaden und andererseits jetzt auch die Kritik am „Last-Minute-Umfaller“ von Roland Ries verarbeiten müssen.

Ob eine solche „Unterstützung“ tatsächlich Auswirkungen auf das Wählerverhalten hat, ist Gegenstand zahlreicher, widersprüchlicher Untersuchungen. Es ist schwer vorstellbar, dass jemand, der tatsächlich wählen geht, so meinungslos ist, dass er oder sie blind der Empfehlung einer dritten Person folgt. Generell gehen Menschen, die keinerlei politische Meinung haben, eher überhaupt nicht wählen.

Schade, dass die Amtszeit von Roland Ries auf einem solchen Ton enden muss. Hätte er geschwiegen, wäre er wohl Philosoph geblieben und niemand hätte ihm einen Vorwurf daraus gemacht, wenn er keinen Kandidaten öffentlich unterstützt hätte. Ob Ries damit auch auf den künftigen Sieger der Wahlen gesetzt hat, wird man im März wissen. Alain Fontanel wird es bis dahin schwer haben, sich seiner „Unterstützer“ zu erwehren…

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