Wie das Coronavirus die Arbeitswelt verändert

Seit dem Lockdown begleiten wir die Universalschlichtungsstelle des Bundes in Kehl (USS) in deren Telearbeit. Drittes Gespräch mit dem Leiter Felix Braun über die Veränderungen in den Arbeitsabläufen.

Felix Braun leitet die Universalschlichtungsstelle des Bundes in Kehl - wo sehr kreativ mit dem Thema Telearbeit umgegangen wird. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Wie praktisch alle anderen Organisationen, Unternehmen und Strukturen musste sich auch die in Kehl ansässige „Universalschlichtungsstelle des Bundes“ auf die Corona-Beschränkungen einstellen und Mitte März auf den Telearbeit-Modus umstellen. Während des Lockdowns hatten wir einen ersten Artikel hierzu veröffentlicht, kurz nach der Aufhebung des Lockdowns in Frankreich einen zweiten Artikel und nun, zwei Monate später, wollten wir wissen, wie sich die Arbeit in der USS seitdem entwickelt hat. Gespräch mit Felix Braun, dem Leiter der USS.

Felix Braun, wie sieht es knapp zwei Monate nach Aufhebung des Lockdowns in der USS aus – sind Sie wieder in der Normalität angekommen?

Felix Braun: Die Normalität im klassischen Sinn haben wir noch nicht wieder herstellen können, wir befinden uns immer noch im präventiven Schichtbetrieb…

Im präventiven Schichtbetrieb? Was ist das denn?

FB: Präventiver Schichtbetrieb bedeutet, dass wir aktuell mit 5 statt mit 10 Personen im Büro arbeiten, während die andere Hälfte der Belegschaft weiter in Telearbeit ist. Dies ermöglicht uns sicherzustellen, dass alle Mitarbeiter*innen ein Büro für sich alleine haben, wobei alle Büros über sich öffnende Fenster verfügen. Ich bin selber täglich im Büro, dazu zwei Mitarbeiter*innen, die vorher festgelegt werden und dazu zwei Mitarbeiter*innen, die sich in den aktuellen Arbeitsplan eintragen. Dabei gilt, wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Dies ermöglicht uns, die sanitären Maßnahmen optimal umzusetzen und auch bei unseren -möglichst kurzen- Besprechungen ist mit Abstand, Maske und Lüften gewährleistet, dass wir uns im Büro richtig schützen.

Und wie erleben Ihre Mitarbeiter*innen diese ungewöhnlichen Umstände?

FB: Unser Team ist unglaublich kreativ und ausdauernd in dieser Situation und ich muss mich wirklich bei allen Mitarbeiter*innen bedanken, wie sie diese Situation zusammen meistern, umso mehr, da manches einfach anstrengender in diesem Modus ist. Unsere Arbeit hat kein bisschen gelitten, wir können alle unsere Dossiers genauso schnell, effizient und professionell bearbeiten wir zuvor und obwohl man mittlerweile auf der Straße das Gefühl bekommen könnte, dass die Krise vorbei sei, wissen wir, dass sich an vielen Stellen neue Corona-Cluster bilden. Und einen solchen Cluster wollen wir alle nicht in unserem Büro haben. Ich freue mich daher besonders, dass wir im Team auch ganz neue Dinge entwickeln, die uns die Arbeit weiter erleichtern.

Wie zum Beispiel?

FB: Eine dieser Neuerungen ist die Möglichkeit, sich zu einem Besprechungs-Spaziergang zu treffen! Statt uns in einem Büroraum einzuschließen, können wir für unsere Besprechungen ins Grüne gehen, sind dabei natürlich besser geschützt, haben etwas Bewegung und die Gedanken fließen in einer solchen Situation einfach besser. An solchen Besprechungs-Spaziergängen können auch diejenigen Mitarbeiter*innen teilnehmen, die am betreffenden Tag gar nicht im Büro, sondern in Telearbeit sind.

Und sind Sie und Ihre Mitarbeiter*innen mit diesen Umstellungen glücklich?

FB: Glücklich, naja, echte Normalität wäre natürlich schöner. Aber ich denke, dass wir eine Lösung gefunden haben, die den Bedürfnissen von allen unter den aktuellen Umständen bestmöglich gerecht wird. Das aktuelle Arbeitsschema wurde mit allen Mitarbeiter*innen abgestimmt. So haben wir festgestellt, dass es Mitarbeiter*innen gibt, die in der aktuellen Situation lieber möglichst oft im Büro arbeiten und andere daheim, abgesehen von den Pflichtschichten. Mit unserem flexiblen Schema kommen alle gut klar. Und wie schon gesagt: die Qualität der Arbeit leidet nicht darunter. Wenn das gegeben ist, warum nicht Flexibilität gestatten?

Gibt es Dinge, die Sie gerade aufgrund der Situation eingeführt haben, die Sie künftig beibehalten wollen, auch, wenn sich die Situation irgendwann normalisiert?

FB: Wir haben viel gelernt in diesen Monaten und ja, wir werden Dinge beibehalten und auch Neues einführen. Die bereits erwähnten Besprechungs-Spaziergänge werden wir auch künftig beibehalten, da sie sehr ergebnisorientiert sind. Dazu werden unsere Mitarbeiter*innen künftig testweise eine Woche in diesem Jahr mobil an einem beliebigen Ort in der EU arbeiten können. Das ist ein Dank für den großen Einsatz, aber vielleicht ein Modell generell für die Zukunft. Mit einem solchen System steigt die Flexibilität für unsere Mitarbeiter*innen, die beispielsweise Familie oder Freunde besuchen, tagsüber ihre Telearbeit erledigen und danach ihren Tapetenwechsel genießen können. Im Spätsommer werden wir gemeinsam die letzten Monate evaluieren und schauen, was wir alles wie umgestellt haben und wie sich diese Umstellungen auf das Arbeitsleben auswirken.

Und wie sehen Ihre längerfristigen Perspektiven im Büro aus?

FB: Eine der positiven Erkenntnisse aus diesen Monaten ist, dass wir alle gerne zusammen im Büro arbeiten und natürlich werden wir, wenn es dann wieder möglich ist, zu einem normalen Bürobetrieb zurückkehren. Auf diesen Tag freue ich mich, genauso wie ich mich darüber freue, wie souverän und solidarisch wir diese letzten Monate gemeistert haben. Wir hatten keinerlei Effizienzverluste und damit wissen wir auch, dass wir für alle Eventualitäten hervorragend aufgestellt sind. Aber es ist zu früh, eine Bilanz zu ziehen. Wir sind ja immer noch in einem ungewöhnlichen Arbeitsschema, die Hygienekonzepte laufen natürlich immer noch und diese Krise ist noch nicht vorbei. Alle unsere Umstellungen haben sich bewährt und die Erfahrungen aus dieser Zeit sind sehr wertvoll.

Vielen Dank für das Gespräch und wir werden diese Entwicklung gemeinsam mit Ihnen weiter beobachten!

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