Wie der Westen Putins Krieg finanziert
Mehrere unabhängige Berichte zeigen es auf – seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine hat der Westen deutlich mehr Geld nach Moskau als nach Kiev überwiesen.

(KL) – Die offiziellen Zahlen der EU bezüglich der Sanktionen gegen Russland klingen beeindruckend. Um deutlich über 60 % sei der Handel mit Russland zurückgegangen, was massiven Druck auf Russland ausüben soll. Die Wirklichkeit ist eine ganz andere. Seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine ist das Handelsvolumen der G7-Staaten um ein Vielfaches höher als die Hilfen, die der Ukraine geleistet wurden. So viele Fragen das auch aufwirft, doch ist die Feststellung, dass der Westen Putins Krieg und gleichzeitig die ukrainische Verteidigung finanziert, nicht vom Tisch zu wischen. Hier ein Beispiel (von vielen).
Der Westen hat nie aufgehört, russisches Öl zu importieren und die NGO „Global Witness“ hat den Weg des russischen Öls bis in die europäischen Häfen lückenlos dokumentiert. Die Zahlen von „Global Witness“ wurden vom Schweizer Forschungsinstitut „Prognos“ bestätigt und das europäische „Schönrechnen“ an den Zahlen ist ebenfalls belegt. Dabei sind die Mengen an Öl-Produkten, die auf Grundlage der Sorte „Russian Crude“ raffiniert wurden, enorm. Alleine im Jahr 2023 nahm Russland nur durch die auf die Exporte erhobenen Steuern 1,1 Milliarden Dollar ein, was für den Ankauf von 55.000 iranischen Shahed-Drohnen (Stückpreis 20.000 Dollar) reicht, die täglich auf die Ukraine einprasseln. Und das sind nur die Steuern auf die Öl-Exporte, vom eigentlichen Verkaufspreis des Öls und den vielen anderen Branchen ganz zu schweigen. Wie gesagt, das hier ist nur ein Beispiel.
Aber wie kommt das russische Öl nach Europa, wo es doch eigentlich sanktioniert ist? Der Export des „Russian Crude“ läuft per Schiff von den beiden russischen Ostsee-Häfen Primorsk und Usk Luga über Gibraltar in die bei Izmir liegenden türkischen Raffinerien (die sich zum Teil im russischen Einflussbereich befinden, wie die SOCAR Star Raffinerie südlich von Izmir, die zu 100 % im Besitz von Aserbaidschan ist und eine Partnerschaft mit dem russischen Energieriesen Lukoil pflegt) und über den Suez-Kanal in die indischen Raffinerien Jamnagar, Vadinar und New Mangalore. Sowohl die türkischen, als auch die indischen Raffinerien laufen auf Hochtouren und von diesen beiden Regionen verkehren die Öl-Dampfer in die Nordseehäfen, zum allergrößten Teil nach Antwerpen, von wo aus die Öl-Produkte (Diesel, Schweröl, Kerosin etc.) auf Grundlage von „Russian Crude“ weiter verteilt werden. Genau hier werden die Sanktionen geschickt umgangen, denn rechtlich gesehen ist alles in Ordnung.
Niemand kann türkischen und indischen Raffinerien vorschreiben, wo sie ihre Grundstoffe beziehen. Auch, wenn sie in Russland einkaufen. Doch durch das Raffinieren in diesen beiden Ländern handelt es sich technisch gesehen nicht mehr um russische Produkte, sondern um indische und türkische Produkte. Somit fallen diese Importe, und es handelt sich um Abermillionen Barrel Öl-Produkte, auch nicht mehr unter die Kategorie „Importe aus Russland“ und tauchen somit auch nicht mehr in der Handelsstatistik zwischen der EU und Russland auf. So lässt sich leicht kommunizieren, dass man russische Produkte boykottiert, während man sie in der Realität einfach über einen Zwischenhändler bezieht.
„Global Witness“ hat die großen europäischen Importeure wie Total (Frankreich), ÖMV (Österreich), ENI (Italien), Shell (Niederlande) und einige andere zu dieser Praxis befragt und überall die gleiche Antwort erhalten: Man agiere streng im Rahmen der Rechtslage, an den Deals sei nichts Verbotenes und wenn die Politik solche Rahmenbedingungen schafft, dann sei das nicht das Problem der Importeure. Das, was der EU-Außenbeauftragte Josip Borrell als „Umgehung unserer eigenen Sanktionen“ bezeichnet, ist eine höchst fragwürdige Praxis der EU. Denn zu fast jeder Sanktion werden auch gleich Schlupflöcher eingerichtet, die mit relativ wenig Aufwand ermöglichen, sie gleich wieder zu umgehen.
Nur, wenn das Umgehen der eigenen Sanktionen gängige Praxis ist, die dazu führt, dass wir wesentlich mehr Geld in Putins Kassen als in die Ukraine pumpen, dann werden alle kriegerischen Aussagen der westlichen Regierungen immer unglaubwürdiger. Denn wie will man Russland davon abhalten, diesen Krieg zu gewinnen (und das ist ja momentan die offizielle Zielsetzung), wenn man ihm die Mittel zur Verfügung stellt, diesen Krieg zu gewinnen? Und gleichzeitig durch deutlich geringere Mittel für die ukrainischen Verteidiger dafür sorgt, dass dieser Krieg noch möglichst lange dauert?
Interessant ist ebenfalls, dass das Umgehen der Sanktionen und die Aufrechterhaltung der Geldflüsse an Russland dem Kreml genug Zeit gegeben haben, seine Exporte in andere Länder wie China oder Indien so zu steigern, dass ein Absinken des Handelsvolumens durch die Eröffnung neuer Absatzmärkte aufgefangen werden kann. Der Westen hat also faktisch der russischen Wirtschaft kaum geschadet, sondern diese sogar eher noch gestärkt.
Die Erklärung, dass es sich um Sachzwänge handelt, weil wir russische Produkte eben brauchen, ist unzulässig. Entweder will man der Ukraine helfen und die beschworene russische Gefahr für den Rest Europas eindämmen, oder man will Geschäfte mit Russland machen, mit denen Russland seinen Krieg gegen die Ukraine finanzieren kann. Beides auf einmal geht nicht. Aber „beides auf einmal“ ist genau das, was der Westen gerade tut.
Russlands Krieg zu finanzieren, der Ukraine deutlich weniger für die Verteidigung zu geben und gleichzeitig das Narrativ aufrecht zu erhalten, dass dort die Jugend zweier Völker ermordet wird, um „europäische Werte“ und die „Demokratie“ zu verteidigen, das wirft vor allem eine Frage auf: Warum?
Hier handelt es sich „nur“ um ein Beispiel von sehr vielen anderen. Viele der westlichen Sanktionen, insbesondere diejenigen, bei denen es um richtig viel Geld geht, haben diese eingebauten Schlupflöcher, mit denen der Westen selbst dafür sorgt, dass Russland über ausreichende Mittel verfügt, diesen Krieg zu gewinnen. Dass man über so löcherige „Sanktionen“ Putin nicht an den Verhandlungstisch zwingen kann, ist klar.
So unangenehm diese Feststellung auch sein mag – der Westen gehört zu den größten Finanzierern der russischen Kriegsmaschine und mittelfristig werden die deutlich geringeren Hilfen an die Ukraine nicht ausreichen, den Zusammenbruch der ukrainischen Verteidigung zu verhindern. Wer möchte, dass dieser Krieg endet, der muss die Handelsbeziehungen mit Russland auf 0 fahren. Und wer nicht möchte, dass Russland diesen Krieg gewinnt, sollte vielleicht aufhören, diesen Krieg zu finanzieren.
Quellen: NGO Global Witness, Forschungsinstitut Prognos in der Schweiz
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