Wie einst im Mai: Strasbourg Art Photography 2022 im November

SAP – die Abkürzung steht nicht nur für eine Computerfirma, sondern viel besser: Straßburgs Fotofestival, das einen Monat lang in Ausstellungen an ganz unterschiedlichen Orten in der Stadt einen Überblick über die moderne Kunstfotografie gibt. Am 1. November geht's los.

Ein Poet des Schwarz und Weiß in Farbe - der Straßburger Fotograf Ryo Tomo organisiert das Fotofestival SAP. Hier an seinem Stand auf der Kunstmesse ST-ART im November 2021. Foto Michael Magercord

(Michael Magercord) – Dass es in Straßburg langsam Frühling wird, ließ sich seit 2017 auch daran erkennen, dass das Straßburger Fotofestival die Lichtbildkunst an vielen Örtlichkeiten erblühen ließ. Doch dann kam Corona und als einst im März 2020 der Lockdown über uns kam, wurden auch all die Galerien, öffentlichen Kulturzentren, aber auch Buchhandlungen, Restaurants und Hotellobbys, in denen die Fotos ausgestellt wurden, geschlossen. Das war’s dann auch mit den schönen Bildern und den anregenden Begegnungen auf den Vernissagen. Doch nun – endlich – wird es die fünfte Ausgabe des Festivals geben, und um nicht noch mehr Zeit bilderlos verstreichen zu lassen, wurde es in diesem Jahr in den November vorverlegt.

Es ist ja auch tatsächlich höchste Zeit, sich wieder mit dem wohl bedeutendsten Informationsträger unseres Zeitalters auseinanderzusetzen. Vermutlich vergeht kaum eine Stunde in unserem modernen Leben zwischen Smartphone und digitaler Nachrichtenübertragung, in der wir kein neues Bild zu Gesicht bekommen. Jedes Mal, wenn wir ein Foto beschauen, geben wir ein klein wenig unserer Herrschaft über uns selbst auf. Denn so, wie wir den Blick auf ein Bild werfen, so ist seine Wirkung auf uns Betrachter ausgerichtet. Ein Bild ist anders als ein Text, den man erst verstehen und interpretieren muss, ein festes, in sich geschlossenes Gebilde, das unmittelbar seine Kraft entfaltet. Eigentlich müsste über jedem Foto ein Warnhinweis stehen: „Vorsicht, dieses Bild könnte ihre zarte Seele nachhaltig belasten“, oder noch deutlicher: „Achtung, nach dem Betrachten eines Fotos sind Sie nicht mehr dieselbe Person wie davor“.

Nun muss man zugeben, dass man sich diesen Gefahren meist ganz willentlich aussetzt, und wenn sie von Bildern ausgeht, die mit ganz besonderer Behutsamkeit und nach einer gewissenhaften Qualitätsprüfung ausgewählt worden sind, dann werden sie ihre Wirkung voller Bedacht entfalten. Genau das sind die Maßstäbe, nach denen die über vierhundert Bilder zusammengestellt wurden, die es bei der Strasbourg Art Photography zu sehen gibt. Fünfzig Lichtbildner aus Deutschland, Spanien, Polen und Georgien, aber auch aus dem fernen Kanada, China und Indien steuern ihre Fotos bei, und natürlich auch aus Frankreich und Straßburg selbst. So sind etwa einmal mehr die Schwarzweißbilder von Philippe Schalk zu sehen, der darauf die schönsten Momente aus der ganz normalen Alltagswelt herauspickt. Letztes Mal hatte er seine Serie dem Lesen gewidmet und Leseratten im öffentlichen Raum aufgespürt, dieses Mal wird er sich dem Kunstkonsumenten in Museen liebevoll nähern. Ob man sich dann beim musealen Betrachten dieser Fotos gar selbst darin wiedererkennt, als seien seine Bilder ein Spiegel? Gut möglich, dann aber Achtung: dem Fotografen sitzt beim Fotografieren nämlich scheinbar immer auch der Schalk im Nacken…

An zwanzig unterschiedlichen Orten in der Stadt werden all die Bilder präsentiert und bei Vernissagen von den Fotografen höchst selbst vorgestellt – und all das bleibt für die Interessierten ein kostenloses Vergnügen, denn der Eintritt zu den Ausstellungsräumen ist gratis. Und dass es ein Vergnügen wird, dafür steht der Gründer und Organisator des SAP: Ryo Tomo ist nämlich einer jener Fotografen, dessen Bilder immer auch den poetischen Teil unserer Wahrnehmung nicht zu kurz kommen lassen. Selbst, wenn ein Thema auch mal so trist ist wie etwa die Meeresverschmutzung, sucht er noch das Ästhetische darin. Aber vielleicht fördert es ja die aufrüttelnde Absicht, die hinter der Bildwerdung des Grauens steht, wenn ein Bild dazu auch einmal unsere Seele streichelt, hat die doch in diesen rüden Zeiten eine besondere Hege und Pflege verdient.

Strasbourg Art Photography
Fotofestival in Straßburg vom 1. bis 30. November an 20 Ausstellungsorten

Der Eintritt ist frei. Auch zur Eröffnungsvernissage am 4. November um 18.30 Uhr im Hotel „Citadines Kléber“, 50-54 rue du Jeu-des-enfants.

Infos über Fotografen, Orte und weitere Vernissagen unter DIESEM LINK.

Zum Festival gehört zudem ein Markt für Bildbände, ein Jugendfotowettbewerb und eine virtuelle Galerie im Netz.

Ryo Tomos Bilder sind in „La Trésorerie“, 35 rue du Fossé des Treize, zu sehen.

Phillipe Schalk stellt im „Maison des associations MDAS” am Place des Orphelins aus.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste