Wie Frankreich die IT-Sprache vergewaltigt

Ganz offiziell hat die französische Regierung neue Sprachregeln für die IT-Sprache eingeführt. Mit denen sich Frankreich einmal mehr in einer Schlüsseltechnologie isoliert.

Sprache ist eigentlich etwas, aus dem sich staatliche Behörden heraushalten sollten. Foto: brbbl / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Es stand im französischen Amtsblatt Nr. 0214 vom 16. September 2014. Text Nr. 78 besagt, dass ab sofort das Vokabular der EDV und des Internets in Frankreich gefälligst französisch zu sein hat. Dort, wo die ganze Welt eine einheitliche, englische Terminologie verwendet, kämpft die französische Regierung, die wohl nichts Besseres zu tun hat, um die Reinheit der französischen Sprache. Offensichtlich hat man in Frankreich immer noch nicht verstanden, warum vor 20 Jahren eine der größten Software-Produktionen der Welt jämmerlich zugrunde ging.

Anfang der 90er Jahre belegte Frankreich einen stolzen zweiten Platz in der weltweiten Software-Produktion. Längst der Vergangenheit angehörende Riesen wie Saari & Saari entwickelten innovative Softwarepakete, ein wenig in der Richtung, die später Weltmarktführer SAP ein schlug, doch trotz der großartigen Produktion, war Frankreich damals nur der 18. Software-Exporteur weltweit. Der Grund – Franzosen entwickelten in französischer Sprache für französische Kunden – doch der heimatliche Markt war schnell saturiert. Exportierbar waren die Software-Pakete kaum – denn die Franzosen bestanden darauf, alle EDV-Begriffe auf Französisch neu zu erfinden. So sagt man heute noch in Frankreich „ordinateur“ zum Computer, während man von Botswana bis Hinter-Chile den Begriff „Computer“ verwendet. Auch, wenn dies bei generischen Oberbegriffen noch kein richtiges Problem darstellt, wird es dort schwierig, wo es an technische Feinheiten geht – denn auch diese benennen die Franzosen anders als der Rest der Welt.

Damit dies auch so bleibt und die französische EDV-Industrie ja keine internationalen Erfolge feiern kann, wurde nun die offizielle Liste zulässiger, französischer EDV-Begriffe veröffentlicht und die Vorstellung, dass irgendwo in Paris Beamte sitzen, die tatsächlich dafür bezahlt werden, sich so einen Blödsinn auszudenken, macht nachdenklich und erklärt zum Teil, warum in Frankreich gerade dringend Reformen benötigt werden.

Ein paar Beispiele? Wer in Frankreich Probleme mit einem Programm hat, sollte sich auf die Suche nach der „Aide au dépannage“ machen, denn „Troubleshooting“ ist ab sofort verpönt. Auch im „Backoffice“ wird ab sofort nicht mehr gearbeitet – dafür gibt es ja in Frankreich nun das „arrière-guichet“. Ganz wichtig – aus „bloc-notes“ (so die seit dem 20. Mai 2005 ganz offiziell geltende und falsche französische Bezeichnung eines „Blogs“) wird nun „blogue“. Was an diesem Kunstwort so anders sein soll als „Blog“, das wissen wohl nur die verbeamteten Linguisten der französischen Regierung. Diese Liste ließe sich beliebig fortführen.

So richtig schlecht kann es der französischen Verwaltung ja dann doch nicht gehen, wenn man es sich leisten kann, Menschen für Tätigkeiten zu bezahlen, die darin bestehen, ganze Industriezweige international konkurrenzunfähig zu machen. Im Grunde wäre diese Nachrichte richtig witzig, hätte sie keinen so ernsten Hintergrund. Ob sich in Frankreich schon mal jemand gefragt hat, ob es einen Zusammenhang zwischen dem lächerlichen Umgang mit Fremdsprachen und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit gibt? Wenn nicht, wäre das vielleicht mal eine gute Idee.

Spracherhaltung ist eine prima Sache, linguistischer Nationalismus bestraft allerdings nur diejenigen, die ihn leben. Nämlich französische Unternehmen im Spitzentechnologie-Sektor. Es bleibt aber noch abzuwarten, ob sich die Menschen in diesen Berufsfeldern tatsächlich an die Vorgaben des französischen Amtsblatts halten. Irgendwie hat man das Gefühl, als wäre es für sie besser, sie würden diesen linguistischen Treppenwitz einfach ignorieren…

1 Kommentar zu Wie Frankreich die IT-Sprache vergewaltigt

  1. Patrick Schmidt // 14. November 2014 um 17:26 // Antworten

    Die neue IT-Sprachregelung verwundern umso mehr, als im französischen Radio (BFM) jeden Tag von “digital(e)” gesprochen wird und damit nicht ein Pflanze ( Fingerhut) gemeint ist, sondern der englische Begriff, der vor Jahren auf Französisch noch “numérique” hieß…Die Anglizismen sind für die französische Sprache wohl weniger eine Bedrohung, als die Franzosen selber. Denn dass insbesondere die junge Generation weder die Rechtschreibung, noch die Grammatik der eigenen Sprache beherrscht, findet sich im Internet für jeden nachlesbar tausendfach in Blogeinträgen und Kommentaren dokumentiert. Auch ein mittelmäßiges Ergebnis in der PISA-Studie hat in den letzten (gefühlt) 30 Jahren keinen französischen Bildungsminister davon abgehalten, sich nach der Amtseinführung unverzüglich seinem persönliches Mammutwerk für die Nachwelt zu widmen: der Neustrukturierung der “rythmes scolaires” – die Ergebnisse sind bekannt.

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