Wie Frankreich mal eben so Europa aushebelt

Der französische Senat hat es abgelehnt, die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen zu ratifizieren und gießt damit Öl ins Feuer der Autonomisten im Elsass. Nicht sehr europäisch, das...

Schade, dass man im Zug der Gebietsreform so viel Quatsch über die "regionale Identität" von sich gegeben hat - die durch den Senat einen herberen Schlag abbekommt, als durch die Gebietsreform. Foto: Claude Truong-Ngoc / Eurojournalist(e)

(KL) – Die spinnen, die Römer, sagte Asterix einst kopfschüttelnd, doch könnte man diesen Satz auch durchaus auf die gallischen Regierungsinstanzen ummünzen. Oder, genauer gesagt, auf den französischen Senat, die zweite gesetzgebende Kammer des französischen Systems, die in etwa mit dem deutschen Bundesrat vergleichbar ist. Denn während sich noch letztes Jahr das französische Parlament (Assemblée Nationale) für die Ratifizierung dieser Europäischen Charta ausgesprochen hatte (mit einer satten Mehrheit von 361 gegen 149 Stimmen), lehnte nun der Senat genau dieses Vorhaben ab – und zwar ebenfalls deutlich, mit 180 zu 155 Stimmen. Da für die Ratifizierung dieser Europäischen Charta allerdings eine Verfassungsänderung erforderlich wäre, zu der alle politischen Instanzen zustimmen müssten, kann man nun davon ausgehen, dass das Projekt „Europäische Charta“ für lange Zeit vom Tisch ist.

Während man sich in ganz Europa darüber im Klaren ist, dass regionale Sprachen ein Stück des kulturellen Reichtums eines Landes sind, setzen sich nun in Frankreich diejenigen durch, die immer noch Angst um den Zusammenhalt ihres Landes haben – und man muss sich die Frage stellen, ob nicht das Geschwätz der letzten Monate um die „regionale Identität“ des Elsass bei dieser Entscheidung eine Rolle gespielt hat. Denn die Bilder von grölenden Autonomisten, die munter richtige Argumente (wie die Nicht-Einhaltung der europäischen Charta für Gebietsreformen, die undemokratische Art und Weise, wie dem Land diese Reform ohne Konsultation übergestülpt wurde und die berechtigte Frage, wie eigentlich mit dieser Reform wirklich Geld gespart und Effizienz gesteigert werden soll) und geradezu beunruhigend unreife Argumente (wie die unsägliche Diskussion um die „regionale Identität“…) durcheinander warfen, hat in Paris und dem übrigen Frankreich wieder einmal Sorgen um die „republikanische Zuverlässigkeit“ des Elsass aufgeworfen. Was diese Entscheidung des Senats, der sich gegen ein europäisches, aber für ein nationales Vorgehen entschieden hat, mit beeinflusst haben kann.

Ebenfalls eine Rolle dürften die beunruhigenden Umfragen vor den anstehenden Regionalwahlen gespielt haben, die den rechtsextremen Front National deutlich als stärkste Partei sehen. Was viele Konservative nun veranlasst, eine noch französischere Politik als die französischen Nationalkonservativen führen zu wollen, in der Hoffnung, den Rechtsextremen doch noch ein paar Stimmen abjagen zu können. Zwar kann man diese Reaktion verstehen (man stelle sich vor, in Deutschland würden die Umfragen die NPD bei über 35 % der Stimmen sehen!), doch ist die Aussetzung des europäischen Gedankens vermutlich nicht der richtige Weg, den Rechtsextremen Einhalt zu gebieten. Denn wenn keine echten Alternativen zu den Rechtsextremen angeboten werden, sondern sich die gemäßigten Kräfte bemühen, so zu tun als seien sie ultra-national eingestellt, dann könnte dies die Wählerinnen und Wähler wohl eher motivieren, doch lieber das Original statt die Kopie zu wählen.

Im Grunde ist es ein Treppenwitz der Geschichte. Während diejenigen im Elsass, die sich für die Beibehaltung der „Region Elsass“ stark gemacht haben, die nun in der ostfranzösischen Großregion Elsass-Lothringen-Champagne-Ardenne aufgehen wird, diese Gebietsreform fälschlicherweise als „Anschlag auf die elsässische Identität“ werteten und ihre Kampagne um diese Fehlinformation herum aufbauten, wurde eben diese Kampagne in Paris als Zeichen für Bestrebungen des Elsass gewertet, den nationalen Verbund in Frage zu stellen. Und schon lehnt man alles ab, was irgendwie nach regionalem Alleingang aussehen könnte. Wie eben die Regionalsprachen. Im Fußball würde man das, was die Autonomisten im Elsass abgezogen haben, ein klassisches Eigentor nennen.

Bleibt die Feststellung, dass Frankreich, das diese Europäische Charta für Regional- und Minderheitensprachen im Gegensatz zu 25 anderen europäischen Staaten nie ratifiziert hat, ebenfalls ein Eigentor geschossen hat. Denn die kulturelle Vielfalt, die in der Bretagne, im französischen Baskenland, auf Korsika, in Teilen Savoyens, im Languedoc, im Elsass und anderswo in den französischen Provinzen existiert, macht einen großen Teil des Reichtums Frankreichs aus. Dass man sich in Frankreich jetzt gegen den europäischen Trend stellt, diesen kulturellen Reichtum zu schützen und zu fördern, ist ein tragischer Fehler. Für den mehrere Seiten die Verantwortung tragen.

2 Kommentare zu Wie Frankreich mal eben so Europa aushebelt

  1. La ratification de la Charte n’aurait rien changé, le Conseil d’État jugeant que ce type de charte ne régit que les relations entre Etats signataires et “ne produit donc pas d’effets à l’égard des particuliers”, dont ils pourraient se prévaloir devant le juge.
    Autrement dit, ces chartes n’engagent en rien l’État qui peut s’assoir dessus s’il le souhaite, seul un autre État signataire pouvant le lui reprocher.

  2. Dommage, la méfiance de l’état vis à vis des régions n’est pas un signe de force, mais un signe de faiblesse.

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