Wie göttlich ist Tango? Wie seriell ist Folklore?

Zwei Fragen, zwei Konzerte. Am Ende der Woche lässt uns – einmal mehr – ein Ausflug nach Argentinien auf grundsätzliche Kulturfragen stoßen. Ob er allerdings zu einer Lösung führt?

Louise Jallu, Bandonoenspielerin beim Misa Tango in Straßburg und Colmar. Foto: Sophie Steinberger / Website der Künstlerin

(Michael Magercord) – Alberto Ginastera hat sich mit seinen konzertanten Variationen zu einer Expedition aufgemacht, und zwar zu einem „subjektiven Nationalismus“. Sollte es überhaupt einen objektiven Nationalismus geben, so würde er mit der Definition, die der argentinische Komponist für dessen subjektiver Form angibt, wenig anzufangen wissen: Es geht nämlich um nicht mehr und nicht weniger, als die im Geiste der Menschen schwebenden Melodien.

Argentinische Volksweisen hat der damals schon höchst innovative Musiker 1950 zu einem Orchesterwerk zusammenfließen lassen, das in seiner repetitiven Form ein Vorgriff auf die kommende Minimalmusik von Steve Reich oder Philip Glass darstellt. Der französische Elektrokomponist Yan Maresz treibt die Innovation noch ein wenig weiter in seinem Stück „Répliques“ für elektronisch verfremdete Harfe und Orchester aus dem Jahre 2016.

Beide Werke werden in dieser Woche bei den Abonnenten-Konzerten der Straßburger Philharmonie zu hören sein, zusammen mit dem „Konzert für Orchester“ eines anderen eifrigen Sammlers folkloristischer Musikstrukturen seines Heimatlandes, nämlich des Ungarn Bela Bartók. Sein Werk aus dem Jahr 1944 schreibt den einzelnen Instrumentengruppen fast schon Solopartien zu, beinahe wie in einem Concerto Grosso des 18. Jahrhunderts, einer der Urformen serieller Musik.

Wem danach der Sinn dann wieder nach klar erkennbaren Musikmustern steht, der hat am Samstag erneut die Chance, dem Tango zu frönen, dieses Mal allerdings in seiner ganz großen Form: Misa Tango, eine Messe mit großem Chor, Kammerorchester und – na klar – Bandoneon wird in der Straßburger Paulskirche erklingen. Komponist Martín Palmeri kommt – na klar – aus Argentinien und verbindet in dieser Messe beides, die Harmonik des sogenannten „Tango Nuevo“ à la Astor Piazolla und die kirchenmusikalische Tradition aus Europa. Ein religiöses Werk mit einem universellen Anspruch – und fast würde man sagen: na klar, Musik ist immer universell, egal wie „subjektiv“ sie zunächst erscheint.

De l’or en Bartók
Konzert der Straßburger Philharmonie OPS
unter der Leitung von Marko Letonja
Maresz – Répliques, pour harpe augmentée et orchestre
Ginastera – Variations concertantes op. 23
Bartók – Concerto pour orchestre

DO 27. März und FR 28. März, 20.00 Uhr
PMC – Stadtteil Wacken
Tickets und Infos unter: www.philharmonique-strasbourg.com

Misa Tango – Messe von Martín Palmeri
Der Chor der Rheinoper und das elsässiche Kammerorchester unter der Leitung von Allesandro Zuppardo. Solisten: Hugues Borsarello (Geige), Laurence Hunckler (Mezzosopran), Louise Jallu (Bandonéon)

SA 30. März, 20.00 Uhr – Eglise Saint-Paul in Straßburg
MI 3. April, 20.00 Uhr – Eglise Saint-Matthieu, Colmar
Eintritt: 12 Euro
Infos und Ticket unter (der leider etwas unübersichtlichen) Website: www.operanationaldurhin.eu

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