Wie ich wegen Gerd Müller meine Haare verlor…
1974. Fußball-WM in Deutschland. Finale gegen die Niederlande. Gerd Müller erzielt das entscheidende Tor. Und das kostete mich die Haare auf dem Kopf...
(KL) – Der vielleicht beste Moment in der Geschichte des deutschen Fußballs war die WM 1974. Eine begnadete Kicker-Generation auf dem Höhepunkt ihrer Leistungsfähigkeit. Sepp Maier im Tor, Katsche Schwarzenbeck, Franz Beckenbauer, Paul Breitner, Berti Vogts, Wolfgang Overath, Horst-Dieter Höttges, Bernd Hölzenbein, Jürgen Grabowski, Uli Hoeneß, all die anderen und – Gerd Müller.
Ein sensationelles Turnier. Tolle Spiele. Und ich hatte mit meinem Onkel Cordy gewettet. Er, der Glatzenträger, hatte auf Deutschland als Weltmeister getippt. Ich auf die Niederlande mit dem nicht minder begnadeten Johan Cruyff, mit Johan Neeskens und vielen anderen. Der Einsatz war, dass Onkel Cordy, sollte er die Wette verlieren, ein Toupet tragen müsste, während ich mir im Falle einer verlorenen Wette eine Glatze schneiden lassen musste.
Nach zwei Minuten im Finale sah schon alles nach einem Toupet für Onkel Cordy aus. Berti Vogts hatte Cruyff in deutschen Strafraum nur durch ein Foul stoppen können und Neeskens hatte den Elfmeter eiskalt verwandelt. Noch in der ersten Halbzeit bekam Deutschland aber auch einen Elfmeter zugesprochen, nach einer klassischen Schwalbe von Bernd Hölzenbein. Paul Breitner schob den Ball locker am niederländischen Keeper vorbei uns Tor. 1:1. Und ebenfalls vor der Pause erzielte Gerd Müller, den sein früherer Trainer Tschik Tschaikowski liebevoll „kleines, dickes Müller“ genannt hatte, das 2:1. Ein typisches Müller-Tor. Irgendwie im Strafraum den Ball angenommen, eine schnelle Drehung und zack. Tor.
Die zweite Halbzeit war ein einziger Sturmlauf der Niederländer. Ein gutes Dutzend hochkarätiger Torchancen, doch Sepp Maier machte das wohl beste Spiel seines Lebens. 45 Minuten Abwehrschlacht gegen haushoch überlegene Niederländer. Doch die Abwehr um Sepp Maier hielt. Bis zum Abpfiff. Dank des Tors von Gerd Müller war Deutschland zum zweiten Mal nach 1954 Weltmeister geworden.
Am nächsten Morgen wurden meine Haare geschoren. Glatze. Mitten im Sommer. Im Schwimmbad war ich das Gespött der Freunde. Der Sommer war richtig mies. Mit Glatze.
Aber trotzdem war Gerd Müller mein Held. Der beste Mittelstürmer, den wir je hatten. Ein netter, bescheidener Mann. Kein Medienstar, wie es damals Hoeneß, Breitner, Beckenbauer oder auch Netzer bereits waren. Aber auch ein Mann, dessen weiteres Leben eher tragisch verlief. Alkohol und irgendwann flüchtete Gerd Müller vor dem Trubel und wohl auch vor sich selbst nach Florida, wo er nicht glücklich wurde.
Bayern München holte ihn zurück nach München, band ihn in den Verein und die Jugendarbeit ein, betreute ihn, kümmerte sich. Ebenso wenig, wie Gerd Müller seinen FC Bayern nie im Stich ließ, sorgte der FC Bayern auch für seinen früheren Superstürmer. Bis Gerd Müller an Alzheimer erkrankte und in den letzten Jahren seines Lebens friedlich vor sich hindämmerte.
Nun ist er gestorben. Im Himmel wird er wohl jetzt mit Alfredo Di Stefano, Eusebio, Fritz Walter, Puskas und den anderen kicken und auf Erden werden wir ihm immer ein ehrendes Andenken bewahren. Dass er nie viel Wirbel darum gemacht hat, dass er ein Großer war, macht ihn zum ganz Großen. Ruhe in Frieden, Gerd Müller und danke für all die Emotionen, die du uns beschert hast.
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