Wie lange hält die Koalition in Berlin noch?

Es war von vornherein eine „Vernunftehe“. Doch je länger diese Koalition mit SPD, Grünen und FDP im Amt ist, desto mehr zweifelt man, dass sie bis zum Ende des Mandats hält.

So sehen viele Deutsche die Köpfe der "Ampel" - als Karikaturen ihrer selbst... Foto: Leonhard Lenz / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) – Die hatten sie sich zusammengerauft und nach den Bundestagswahlen im September 2021 eine Regierung gebildet, die tatsächlich mehr nach „Vernunftehe“ als nach einem gewollten Regierungsbündnis aussah. Die SPD, die im September 2021 plötzlich und unerwartet auf einer Wolke schwebte und die Wahlen gewann, die Grünen, die ihr bislang bestes Ergebnis einfuhren und die Liberalen der FDP, die es mal wieder in den Bundestag geschafft hatten und für die es nicht zu einer Wunsch-Koalition mit der CDU reichte. Heute gibt es kaum noch einen Themenbereich, bei dem die drei Koalitionäre einer Meinung wären und wenn man die aktuellen Umfragen verfolgt, dann hat man das Gefühl, dass sich in dieser Koalition niemand für weitere Aufgaben empfehlen kann.

Die Sonntagsfrage von Infratest-dimap vom 19. Januar zeigt folgendes Bild: CDU/CSU kommen auf 29 %, SPD und Grüne auf 19 %, gefolgt von der AfD mit 14 %, FDP mit 6 % und Die Linke mit 4 %. Anders gesagt, hat heute keine der Parteien (bis auf die AfD) ein Interesse an einer Regierungskrise und eventuellen Neuwahlen, denn in dieser Konstellation wäre es für alle denkbaren Kombinationen sehr, sehr knapp. Und wenn man die aktuelle Lage bedenkt, mit Krisen, wo man hinschaut, dann wäre dies tatsächlich nicht der richtige Zeitpunkt, Deutschland vorübergehend unregierbar zu machen.

Wie es um die Qualität der Zusammenarbeit bestellt ist, erkennt man an der Diskussion um die Panzerlieferungen an die Ukraine. Annalena Baerbock, die am liebsten selbst an der Front kämpfen würde, gibt Erklärungen im Namen der Bundesregierung ab („Deutschland wird die Exporterlaubnis für Drittländer für die Lieferung deutscher Panzer nicht verweigern“), die von Kanzler Olaf Scholz schnell wieder einkassiert werden, da sie keine offizielle Position der Bundesregierung darstellen, wobei beide ihrerseits von der FDP kritisiert werden.

Welches Thema man sich auch vornimmt, Pandemie, soziale Probleme, 9-Euro-Ticket, Infrastruktur-Fragen, Energie, Europa- und Außenpolitik – überall gibt es (mindestens) drei Meinungen und das ist kein gutes Zeichen für die Regierung. Die Grünen gingen sogar so weit, das Europäische Parlament für die deutsche Innenpolitik zu mißbrauchen, indem sie das Parlament über eine Resolution abstimmen ließen, in der die Bundesregierung (an der die Grünen selbst beteiligt sind!) und Kanzler Olaf Scholz aufgefordert werden, endlich Leopard 2-Panzer an die Ukraine zu liefern. Ganz schön starker Tobak.

In der FDP regt sich großer Unmut, denn die liberalen Mehrheitsbeschaffer haben echte Probleme, so etwas wie ein eigenes Profil zu entwickeln. Dies erkennt man in den Umfragen, aus denen hervorgeht, dass die FDP auch in naher Zukunft bei allen Wahlen vor der 5 %-Hürde und damit ihre Existenz zittern muss. Die Grünen liegen weiter hoch in den Umfragen, was sie eigentlich immer tun – bis zu den jeweiligen Wahltagen, an denen sie dann doch zumeist deutlich niedrigere Ergebnisse einfahren, als in den Umfragen vorhergesehen. Doch dass die Kanzlerpartei SPD nur noch bei 19 % liegt, das wirft Fragen auf. Wenn mehr als 4 von 5 Deutschen diesen Bundeskanzler für eine Fehlbesetzung halten, wenn so wenig Einigkeit in einer Koalition herrscht, mit der die Koalitionäre selbst offenbar sehr unzufrieden sind, dann ist das kein gutes Zeichen für den Zustand der politischen Landschaft.

Die Koalition SPD-Grüne-FDP verfügt über eine solide Mehrheit im Bundestag, doch nur so lange, wie die drei Parteien am gleichen Strang ziehen. Sollten beispielsweise bei einem Mißtrauensvotum entweder die Grünen oder die FDP mit der CDU/CSU stimmen und dabei auch noch die Stimmen der AfD erhalten, dann wäre die Berliner Koalition bereits Geschichte.

Aber irgendwie passt die politische Entwicklung in Deutschland zu derjenigen in anderen europäischen Ländern, in denen die Menschen inzwischen gegen ihre Regierungen auf die Straße gehen wie in Frankreich oder ihre Regierungen gleich durch Rechtsextreme ablösen wie in Italien oder Schweden, um nur diese zu nennen. In Zeiten großer Unruhe und Unsicherheit verlieren auch die Regierenden den Boden unter den Füssen…

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