Wie man der Jugend das Abi versaut

Die französischen Gewerkschaften Sud-Rail, CGT, Unsa und CFDT haben sich den Preis des dämlichsten Streiks des Jahres verdient. Pünktlich zum Start des mündlichen Abiturs legen sie den Verkehr lahm.

Vier Gewerkschaften kämpfen - gegen Abiturienten! Foto: Pierre Dalbéra from Paris, France / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Die seit 17 Monaten andauernde Pandemie war für Schülerinnen und Schüler besonders belastend. So zeigte gerade erst eine Studie der Frankfurter Goethe-Universität, dass der Distanz-Unterricht in etwa so viel Kompetenzgewinn bringt „wie die Sommerferien“, sprich: keinen. Unter diesen Umständen mussten sich unzählige Abiturienten in Frankreich auf die Prüfungen vorbereiten, die ihren künftigen Lebensweg beeinflussen. Pünktlich zum ersten Tag der mündlichen Prüfungen legen vier Gewerkschaften, Sud-Rail, CGT, Unsa und CFDT den Zug- und Nahverkehr im Großraum Paris lahm. Wie mutig von diesen vier Gewerkschaften – statt sich zum richtigen Zeitpunkt mit der Regierung anzulegen, versauen sie lieber zigtausend Abiturienten ihre Prüfungen. Viel egoistischer und dämlicher geht es nun wirklich nicht.

Der staatlichen Eisenbahngesellschaft SNCF blieb nichts anderes übrig, als ein dünnes Communiqué zu veröffentlichen, in dem sie den „Personen, die beabsichtigen, sich im Zug im Großraum Paris zu bewegen“, rät, „ihre Fahrt, soweit möglich, zu verschieben.“ Toll. Die Abiturienten, die sich mit den Vorortzügen RER zur Schule begeben müssen, nützt dieser Hinweis auch nicht viel.

Immerhin, die SNCF hat an den Bahnhöfen, an denen nun keine Züge halten oder abfahren, einen Informationsdienst eingerichtet, der hilft, wo er kann und auch den Schulämtern eine Art Entschuldigung für eventuelle Verspätungen ausstellt. Nur – wie sollen die Abiturienten, die ohnehin schon gerade einen langen Abschnitt ihres bisherigen Erdendaseins unter seltsamen Umständen verbringen mussten, diesen zusätzlichen Stress managen?

Meinen diese vier Gewerkschaften wirklich, dass sie auch nur eine Spur der Solidarität erfahren, indem sie ihre finanziellen Forderungen auf dem Rücken von Schülerinnen und Schülern durchdrücken wollen? Gewerkschaften sollten, wie in anderen Ländern, Sozialpartner sein und dabei auch eine gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Schülern ihre Abiturprüfung zu versauen, ist inakzeptabel und wird hoffentlich zu einer Austrittswelle aus diesen Gewerkschaften zur Folge haben, die sich als Feinde der Jugend des eigenen Landes aufführen, obwohl die Eisenbahner zu den Berufsgruppen gehören, denen es im Vergleich zu anderen noch ziemlich gut geht.

Man kommt nicht umhin zu denken, dass die aktuelle Pandemie in den Köpfen der Gewerkschaftsführer riesigen Schaden angerichtet hat. Die SNCF sollte sich von diesen Schülererpressern nicht unter Druck setzen lassen und keine ihrer Forderungen erfüllen. Privilegien zu erkämpfen, indem man Schülern ihre Prüfungen versaut, ist wirklich unterste Schublade. Mit Arbeitskampf hat das nun nichts mehr zu tun.

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