Wie nah wir uns doch in Wirklichkeit sind…

Die Ausstellung „Zwischen zwei Horizonten“ im Centre Pompidou in Metz lohnt den Besuch der lothringischen Stadt. Die Werke der größten deutschen und französischen Künstler zeigen, wie nah wir uns wirklich sind.

Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer zeigte sich sehr von der Ausstellung in Metz angetan. Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Das Erste, was die Besucher der Eröffnung der Ausstellung „Zwischen zwei Horizonten“ im Centre Pompidou in Metz erstaunte, war die Anzahl und Qualität der ausgestellten Werke, die Leihgaben des Saarlandmuseums in Saarbrücken sind. Wer das Saarlandmuseum nicht kennt, erwartet nicht unbedingt eine derartige Vielfalt an beeindruckenden Werken. Die Ministerpräsidentin des Saarlands Annegret Kramp-Karrenbauer war bei der Eröffnung dabei und obwohl sie die Werke aus ihrer Landeshauptstadt natürlich kennt, war auch sie hoch zufrieden mit der Gestaltung der Ausstellung und ihrer Konzeption. Bis zum 16. Januar 2017 kann man „Zwischen zwei Horizonten“ in Metz besuchen.

Max Beckmann, Georges Braque, Edgar Degas, Otto Dix, Max Ernst, Paul Gaugin, George Grosz, Vassily Kandinsky, Paul Klee, Fernand Léger, Franz Marc, Henri Matisse, Claude Monet, Emil Nolde, Pablo Picasso, Auguste Renoir, Vincent van Gogh – das ist nur ein kleiner (!) Auszug aus der riesigen Liste der ausgestellten Künstler – fast alles, was seit 1870 in Frankreich und Deutschland große bildende Kunst erschaffen hat, ist in Metz vertreten.

Der erste Teil der Ausstellung beschäftigt sich mit der Periode 1870 bis 1904 – also der Avantgarde des 20. Jahrhunderts. Während der französische Impressionismus das eher deutsche und britische Bild der idealen Landschaft nachhaltig veränderte und Künstler wie Monet und Renoir Platz für persönliche Eindrücke und Emotionen schafften, war die Kunst in Deutschland eher vom wilhelminischen Geist geprägt. Und dennoch kündigte sich schon eine unruhige Zeit an, was sich auch am künstlerischen Ausdruck zeigte, der in dieser Zeit in Frankreich und Deutschland eher unterschiedliche Wege ging. Während ein Auguste Renoir den Zeitgeist mit seinen unendlich schönen weiblichen Akten provozierte, war man in Deutschland eher diszipliniert. Doch das sollte sich ändern.

Der zweite Teil der Ausstellung steht im Licht der Zeit 1905 bis 1925 – Jahre, die vom Krieg und Revolutionen geprägt waren – und verrückten Jahren in Paris und Berlin. André Derain und August Macke, Vassily Kandinsky oder Emil Nolde, um nur sie zu nennen, die Gruppe „Blauer Reiter“ – alle suchten nach neuen künstlerischen Wegen, brachen gezielt die Konventionen ihrer Zeit und legten dabei eine wilde Lebensfreude an den Tag, die sich einerseits in extravaganten Farbgebungen, aber auch in neuen Richtungen wie dem Kubismus zeigte (der damals in Frankreich als „l’art boche“ verspottet wurde…) – Wege, die trotz des französischen Naserümpfens von Künstlern wie Braque oder Picasso in Frankreich zur Perfektion geführt wurden.

Was dann passierte, sieht man im dritten Teil der Ausstellung. „Entsetzen. Intellektuelle Exile“ heißt dieser Teil, der sich mit der Zeit von 1926 bis 1945 auseinandersetzt. George Grosz kritisierte die „künstlerische Trägheit“ in Paris und Berlin (womit er aber ein wenig falsch lag, denn in beiden Städten sprühten die Künstler vor Kreativität…) und drückte ebenso wie andere die seltsame Stimmung dessen aus, was sich in Richtung der Weimarer Republik entwickeln sollte. Die „Bauhaus“-Bewegung der klaren Linien versuchte, einer immer chaotisch werdenden Zeit eine Ordnung zu geben und entdeckte dabei ein neues gesellschaftlich-soziales Kunstverständnis und konnte dennoch die alles vernichtende Entwicklung nicht aufhalten. In Frankreich erfand Fernand Léger seine eigene Form des Kubismus, von ihm ist das wunderbare Bild „Die Badende am Baustumpf“.

Otto Dix und Max Beckmann zeigen die unerträglichen Leiden des Kriegs auf ebenso fast unerträgliche Weise, sind beeindruckende Zeitzeugen, die all diejenigen ansehen sollten, die heute schon wieder von Krieg sprechen. „Tote vor dem Lager bei Tahure“ von Otto Dix ist ein Vorwurf an alle, die Menschenleben für verrückte Ideologien opfern. Otto Dix adressierte eine eindeutige Botschaft an die Nazis – sein „Der jüdische Friedhof von Randegg“ zeigt ein Bild perfekter Harmonie – zu perfekt. Ab 1933 durften die Werke von Otto Dix nicht mehr ausgestellt werden.

Im vierten Teil der Ausstellung wird der Besucher durch die Zeit nach dem II. Weltkrieg geführt. Es war die Zeit des Durchbruchs der Abstrakten Kunst, geschaffen von Künstlern, die so viel Erschütterndes gesehen hatten, dass sie den Weg des Konkreten verlassen mussten. Serge Poliakoff, Ernst Nay, Karl Otto Götz und andere codierten ihre Botschaften auf sehr persönliche, abstrakte Weise. Die der Betrachter auf ebenso persönliche Weise decodieren kann.

Und dann gelangt man langsam hinein in die Moderne, wo am Ende der Ausstellung die jungen Zornigen warten, wie Jonathan Meese mit seinem überdimensionalen Wandgemälde „Love like Blood“, das die ganze Wut der jungen Zornigen auf die Generation ihrer Väter ausdrückt, als sie deren Gräueltaten entdeckt. Die gleiche Wut findet sich direkt daneben auch in Frankreich, „For Victory“ von Damien Deroubaix.

Mehr als 400 Bilder, Zeichnungen, Installationen, Skulpturen, Videos und Schriften werden im Centre Pompidou in Metz gezeigt, einer der kulturellen Hochburgen Lothringens. Die Ausstellung, organisiert auch dank der Unternehmen Wendel, Eiffage und der Stiftung Fondation Entente Franco-Allemande (FEFA), ist der materielle Nachweis der gegenseitigen Einflüsse der französischen und deutschen Künstler. Trotz aller historischen Auseinandersetzungen zeigt „Zwischen zwei Horizonten“ starke und wichtige Verbindungslinien auf – aber die Kunst war immer schon austauschfähiger als die Politik und die Besucher werden dies schnell selbst feststellen.

Eine großartige Ausstellung, die man mit einem Besuch der wunderschönen Stadt Metz verbinden sollte. Sehr cool: Der Eintritt ist für junge Menschen bis 26 und Studenten über 26 Jahre frei. Und ansonsten auch erschwinglich – Tickets gibt es auch über die Site des Museums, die erstaunlicherweise nur auf Französisch angeboten wird. Bei Ausstellungen von einer solchen internationalen Klasse könnte man sich auch vorstellen, die Informationen auf Englisch und aufgrund der Nähe zu Deutschland auch auf Deutsch anzubieten. Sei’s drum, man kommt auch ganz gut auf der französischen Site zurecht, „Billetterie“ versteht man ja auch. Diese Ausstellung sollten Sie auf gar keinen Fall verpassen!

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