Wie normal ist „normal“?

Während man in unseren Breitengraden relativ sorglos den Frühsommer genießt und sich Gedanken über den Urlaub macht, wird in anderen Regionen der Welt der Lockdown wieder hochgefahren.

Wer glaubt, die Covid-19-Krise sei vorbei, der sorgt dafür, dass die Krise weitergeht. Foto: Tim Bartel from Cologne, Germany / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.0

(KL) – Es ist noch lange nicht vorbei. Auch, wenn wir uns bereits angewöhnt haben, von der Covid-19-Krise in der Vergangenheitsform zu reden, als ob die Krise definitiv vorbei sei, so muss man festhalten, dass sie das nicht ist. Zahlreiche neue Cluster in praktisch allen europäischen Ländern, eine Explosion des offensichtlich mutierten Virus in Nord- und Südamerika, eine nach wie vor vorherrschende Unkenntnis der Wissenschaft über die genaue Funktionsweise des SARS-2-CoV – und nun beginnt eine Welle der verschärften Lockdown-Maßnahmen, nachdem das Leben überall wieder schnell hochgezogen wurde. Wie es weitergeht, liegt in erster Linie an uns.

Das Virus mutiert. Wenn man sieht, mit welcher Gewalt sich das Virus in Amerika ausbreitet, dann erkennt man, dass es sich ganz anders verhält als in Europa. 50.000 Infektionen täglich in den USA sprechen eine eindeutige Sprache. Europa mit seinen 500 Millionen Einwohner*innen hat keine Tage erlebt, an denen sich wie in den USA (300 Millionen Einwohner*innen) 50.000 Menschen mit diesem Virus infiziert haben – und das spricht eindeutig für eine Mutation.

Und auch bei uns ist das Virus noch da und nutzt jede Gelegenheit, sich weiter zu verbreiten. Selbst in Österreich, das die Krise bislang durch scharfe Maßnahmen recht gut im Griff hatte, berichtet von neuen Clustern, wie in Deutschland in der Fleischindustrie. In Katalonien wird erneut der Lockdown hochgefahren, in mehreren asiatischen Ländern ebenfalls und auch, wenn das niemand mehr so richtig mitbekommt, stehen die Behörden unter Hochspannung und halten sich bereit, jederzeit wieder einzugreifen.

Dass jedes erneute Hochfahren des Lockdowns möglicherweise die sanitäre Krise bremst, bedeutet gleichzeitig, dass sich die wirtschaftliche Krise verschärft. Insofern ist es nur schwer verständlich, warum sich viele von denen, die sich vor den wirtschaftlichen Folgen der Krise fürchten, auf alle bisherigen Sicherheits- und sanitären Maßnahmen pfeifen. Wir, nur wir und nicht etwa die Regierungen, entscheiden darüber, wie es mit dem Covid-19 weitergeht. Wenn wir uns weiterhin so verhalten, als gäbe es das Virus nicht mehr, werden wir mit einer zweiten Welle oder der Intensivierung der ersten Welle klarkommen müssen. Und da das keiner will, wäre es sehr sinnvoll, genau jetzt nicht etwa die sanitären Maßnahmen über Bord zu werfen, sondern diese konsequent weiterzuführen. Schade, dass dies ein frommer Wunsch bleibt – wer am Wochenende durch die Straßen der Städte läuft, der sieht deutlich, dass die Mehrheit der Menschen die Gefahr, die von diesem Virus ausgeht, längst verdrängt haben. Man freut sich über die Rückkehr zur Normalität. Doch ist momentan nichts normal. Und bis die Dinge wieder normal sind, sollten wir solidarisch sein und uns an diese paar Regeln halten. Dann bleiben uns vielleicht, anders als in anderen Ländern, die neuen Lockdown- Maßnahmen erspart.

1 Kommentar zu Wie normal ist „normal“?

  1. Eine Mutation als Erklärung für das Desaster in Amerika? Da liegen wohl andere Erklärungen näher.

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