(Summer special 2022) – Wie rassistisch sind wir wirklich?

Dass Europa solidarisch die ukrainischen Flüchtlinge aufnimmt, ist eine wichtige humanistische und humanitäre Geste. Aber die Unterscheidung in „Flüchtlinge“ und „Migranten“ ist schlimm.

Die Solidaritât ist überall, wie hier am Bahnhof Bukarest-Nord. Aber sie darf nicht nur für weisse, christliche Flüchtlinge gelten. Foto: Romanichthys Valsanicola / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Was ist der Unterschied zwischen einer ukrainischen Familie, die vor russischen Bomben flüchtet und einer syrischen Familie, die vor den russischen Bomben flüchtet? Richtig, es gibt keinen. Und dennoch unterscheiden seit einige Tagen viele Menschen zwischen „Flüchtlingen“ und „Migranten“, wobei der Begriff „Migranten“ suggeriert, dass es sich um Menschen handelt, denen es eigentlich prächtig geht und die einfach nur Lust haben, sich anderswo umzuschauen. Doch das bedeutet nur, dass wir Flüchtlinge nach ihrer Hautfarbe und Herkunft unterschiedlich behandeln – und das ist nichts anderes als Rassismus.

„Alle, die vor Putins Bomben fliehen, sind in Europa willkommen“, sagte EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen, doch meinte sie das wohl eher im Orwell’schen Sinn von „alle sind gleich, aber einige sind gleicher als andere“. Doch hat es sich innerhalb weniger Tage im europäischen Sprachgebrauch festgesetzt, dass es Flüchtlinge und Migranten gibt.

Dass momentan eine unglaubliche Welle der Solidarität durch Europa schwappt, dass plötzlich selbst Visegrad-Staaten bereit sind, zahlreiche Flüchtlinge aufzunehmen, das ist natürlich eine gute Sache. Dass wir aber gleichzeitig Flüchtlingen aus anderen Regionen der Welt, speziell dem Mittleren Osten und Afrika, den Status von „Flüchtlingen“ absprechen, weil sie eine andere Hautfarbe haben, ist fürchterlich. Momentan sind 84 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht vor Krieg, Bürgerkrieg, Hunger und Korruption. All diese Menschen laufen um ihr Leben und da darf es keine Unterscheidung zwischen „guten“ und „schlechten“ Flüchtlingen geben.

Laut Ursula von der Leyen sollen ukrainische Flüchtlinge ohne großen bürokratischen Aufwand 2 Jahre Bleiberecht in der EU erhalten, arbeiten dürfen, das Gesundheitssystem nutzen und ihre Kinder zur Schule schicken können. Das ist gut und richtig und entspricht dem Grundgesetz, nach dem die Würde des Menschen unantastbar ist. Doch meint das Grundgesetz sicher nicht, dass diese grundlegenden Menschenrechte nur für Menschen mit weißer Hautfarbe gelten.

Wir müssen aufpassen, dass sich der durchweg positive Elan der Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung nicht in dumpfen Ausländerhass gegen alle umschlägt, die nicht vom „kaukasischen Typ“ sind, wie es in den USA genannt wird. Es ist unsere Pflicht und Schuldigkeit, Opfer von Krieg, Bürgerkrieg, Hunger und Korruption bei uns aufzunehmen, sie zu versorgen und ihre Rechte zu respektieren. Dafür darf allerdings nicht der Preis sein, dass wir unsere Gesellschaften dem offenen Rassismus anheimstellen.

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