Wie schnell wir doch abstumpfen…

Nach der Pandemie der Ukraine-Krieg. Nach nur wenigen Wochen schauen die meisten nur noch beiläufig auf die Nachrichten. Wir gewöhnen uns an alles.

Immer weniger Menschen wollen die aktuellen Katastrophen verfolgen, es wird langsam zuviel... Foto: Mdk572 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Die Pandemie und der Ukraine-Krieg haben etwas gemeinsam. Ab einem bestimmten Zeitpunkt verwandeln sich die Bilder in abstrakte Zahlen, so und so viel Menschen sind mit Covid infiziert, gestorben, und das gleiche passiert mit dem Ukraine-Krieg. Bei diesem und jenen Angriff sind so und so viele Menschen gestorben, verletzt oder verschleppt worden. Zahlen, nicht Menschen. Und weil es langsam belastend wird, schalten immer mehr Menschen bei den Nachrichten um.

Doch was in der Ukraine passiert, oder auch im Yemen, in Syrien, in den kurdischen Gebieten, ist der nackte Horror. Der uns jeden Tag ein bißchen weniger interessiert. Die Nachrichten werden auch immer technischer, man spricht über Truppenbewegungen, Waffenlieferungen, Geldbeträge, selbst dieser Krieg, der sich weiterhin zum III. Weltkrieg ausweiten kann, verliert sich in Einzelheiten, die ohnehin niemand richtig nachvollziehen kann und anhand derer die Aufmerksamkeit immer weiter sinkt.

Natürlich muss sich der Mensch gegen den alltäglichen Horror schützen. Ein wenig wie ein Arzt, der Strategien entwickeln muss, mit denen er verhindert, all das tägliche Leid, mit dem er im Beruf konfrontiert wird, abends mit nach Hause zu nehmen. Doch ist es erstaunlich, dass immer mehr Menschen diese Themen verdrängen, mit der Einstellung „ich kann ohnehin nichts daran ändern“. Abre stimmt das auch, dass man nichts ändern kann?

Dafür findet gerade ein Wertwandel statt, der ebenso schnell verläuft, wie das allgemeine Interesse an diesen Katastrophen abnimmt. In nur sechs Wochen wurde aus dem Begriff „Frieden“, der bis dahin so etwas wie der oberste gesellschaftliche Wert war, ein Schimpfwort. Eine Partei, die sich aus der Friedensbewegung gegründet hat, ist zum Kriegstreiber geworden. Selbsternannte Experten tun kund, dass man „Putin auf die Knie zwingen“ kann. Andere fordern das sofortige Eingreifen der NATO, womit der III. Weltkrieg definitiv ausgebrochen wäre. Wir haben nicht nur das Interesse an diesen schrecklichen Ereignissen verloren, sondern auch den Wertkompass, den wir Jahrzehnte lang für die Grundlage unseres Zusammenlebens in Europa gehalten haben.

Doch wegschauen wird, wie immer, nichts nützen. Wir befinden uns gerade in einer Phase, die erstaunlicherweise stark den gesellschaftlichen Strömungen und Stimmungen 1914 und 1939 entspricht. Und wir haben nichts Besseres zu tun, als die bekannten Mechanismen, die zu Konflikten führen, bei denen Millionen ihr Leben lassen und eine Handvoll Menschen Kasse macht, zum dritten Mal zu wiederholen.

Dass da die Menschen keine Lust mehr haben, die Nachrichten zu schauen und sich darüber Gedanken zu machen, ist nachvollziehbar. Aber einer Lösung bringt uns das auch nicht näher.

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