Wie schön – die Politik erklärt die Pandemie für (beinahe) beendet

Mit Wissenschaft hat das alles nichts mehr zu tun – doch weil die Unzufriedenheit in der Bevölkerung zu heftig wird, beenden viele Regierungen nun die Covid-Maßnahmen. Man wird sehen, wie erfolgreich das ist.

Während die Wissenschaft fieberhaft arbeitet, feiern sich verantwortungslose Politiker als "Bezwinger der Pandemie"... Foto: Mstyslav Chernov / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Die Schweiz hat es schon getan, Frankreich hat es angekündigt und Deutschland hat seinen Drei-Stufen-Plan. Hintergrund ist überall derselbe – die Covid-Maßnahmen werden abgeschafft und das sogar ziemlich zügig. Es ist ein wenig wie beim Roulette – alle Regierungen setzen auf „Rot“, in der Hoffnung, dass es zu keinen weiteren und gefährlicheren Mutationen kommt, doch sollte „Schwarz“ kommen, wird es richtig kritisch. Wenn man die Fahrpläne für die nun stattfindenden Lockerungen anschaut, sollte man besser nicht die aktuellen Berichte über die jüngsten Mutationen lesen…

Es sieht momentan so aus, als könne man einen leichten Rückgang der Omikron-Infektionen feststellen. Der ist allerdings tatsächlich nur leicht, alleine in der Nachbarregion Ortenau liegt die Inzidenz immer noch bei rund 1600. Zu einem Zeitpunkt, zu dem sich alle über die relativ milden Omikron-Verläufe freuen, ist völlig unklar, was mit Landzeitfolgen (dem „Long Covid“) ist, reißt man nun eben alle Dämme ein, wobei es die Regierungen der verschiedenen Länder selbst nach zwei Jahren immer noch nicht begreifen, dass man solche Maßnahmen entweder gemeinsam und abgestimmt trifft, weil sie ansonsten wirkungslos verpuffen. Es wird immer unklarer, ob Maßnahmen überhaupt noch auf Grundlage medizinischer oder sanitärer Erwägungen getroffen werden, oder ob es nur noch um Politik, Wahltermine und wirtschaftliche Interessen geht.

Nehmen wir als Beispiel Deutschland und Frankreich. Frankreich organisiert seine Maßnahmen inzwischen nur noch anhand der anstehenden Wahltermine, wobei man die Pandemie tatsächlich für quasi beendet erklärt. So sollen rechtzeitig zum ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl am 10. April sogar die Masken in geschlossenen Räumen abgeschafft werden, damit sich Präsident Macron als der „Bezwinger“ des Virus feiern lassen kann. Dass gleichzeitig Frankreich die höchsten Infektionszahlen seit Beginn der Pandemie hat und die Wissenschaftler vor den nächsten Varianten warnen, wen kümmert‘s? Wichtig ist nur die Wiederwahl… In Deutschland will man in drei Schritten auch alle Maßnahmen abschaffen, allerdings zu anderen Terminen und dazu will man in Deutschland die Masken in geschlossenen Räumen beibehalten. Und auch in Deutschland warnen viele Wissenschaftler vor den nächsten Varianten.

Das alles bringt uns zu einem „Darwinismus in Reinkultur“. Denn künftig gilt „the fittest survive“, wer sich schützt und richtig verhält, wird vielleicht Krankheiten vermeiden können, der Rest hat eben Pech gehabt. Das mag beim Omikron noch funktionieren, da diese Variante ganz offensichtlich zwar mehr, dafür aber auch weniger gefährliche Krankheitsverläufe auslöst. Doch was passiert, wenn sich nun alleine schon die in verschiedenen Ländern grassierende Untervariante BA.2 als gefährlicher zeigen sollte? Wird dann auf die Bremse getreten und alle Lockerungen wieder rückgängig gemacht?

Wir haben in der Tat nicht genug Abstand. Und zwar fehlt uns der Abstand, um erforschen zu können, was es mit den Langzeitfolgen dieser mörderischen Krankheit auf sich hat. In einer solchen Situation einfach alle Vorsichts-Maßnahmen abzuschaffen, ist hochgradig verantwortungslos.

Die einzig richtige Ansage, und die Menschen würden das vermutlich sogar verstehen, wäre es, Maßnahmen wie Masken, Abstand, Lüften und Händewaschen systematisch beizubehalten und zu fördern, statt auch diese Mindest-Maßnahmen abzuschaffen, es sei denn, man wolle in dieser Phase auch noch das Problem der Überbevölkerung lösen.

Es wird mit Begriffen wie „Freedom Day“ um sich geworfen, was nicht nur grundlegend falsch, sondern ebenso verantwortungslos ist wie die Abschaffung aller Maßnahmen und in der Politik denkt man inzwischen in erster Linie darüber nach, welche Überwachungs- und Gängelungs-Maßnahmen man aus der Pandemie in die Zeit danach retten kann.

Dabei steht eines fest – diese Pandemie ist alles andere als vorbei und Politiker, die sich in dieser Situation selbst als „Bezwinger der Pandemie“ feiern, gehören eher vor Gericht als auf die Regierungsbank. Seien wir also einmal richtig ungehorsam, wenn unsere Politiker „Freedom Day“ feiern und halten wir weiterhin an individuellen Schutz-Maßnahmen fest, an die wir uns seit zwei Jahren gewöhnt haben. Der Schutz vor der Pandemie findet ab sofort (und wie schon vor über einem Jahr hier angekündigt) auf individueller Ebene statt. Schützen Sie sich und hören sie nicht auf Politiker, die sich aus sehr persönlichen Ambitionen heraus dringend als „Retter“ ihrer jeweiligen Nationen selbst feiern!

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