Wie sich Frankreich vor der politischen Erneuerung „schützt“

Ein neues Gesetzesvorhaben soll in Frankreich unabhängigen Kandidaten bei Wahlen das Leben noch schwerer machen als bisher. Der Apparat der Macht in Frankreich bröckelt.

In Frankreich wird es für kleine Parteien und unabhängige Kandidaten immer schwerer, überhaupt bei Wahlen antreten zu können. Foto: Rama / Wikimedia Commons / CC-SA 2.0fr

(KL) – Es war eine denkwürdige Sitzung des französischen Parlaments am letzten Donnerstag. Gerade mal 11 Abgeordnete (in Worten: elf!) hatten sich in der ehrwürdigen Assemblée Nationale zusammengefunden, um über einen neuen Gesetzesvorschlag abzustimmen, mit dem die Regierung versucht, unabhängigen Kandidaten oder Kandidaten den Weg zur Kandidatur zu erschweren. Ein Weg, der in Frankreich für kleine Parteien ohnehin aufgrund des Wahlsystems (Wahlen mit zwei Wahlgängen, wer über 50 % der Stimmen auf sich vereint, hat die Wahl gewonnen) sehr schwer ist. Und das neue Gesetz soll diesen Weg jetzt noch schwieriger gestalten.

Um bei den Präsidentschaftswahlen als Kandidat anzutreten, muss man 500 Unterschriften von gewählten Abgeordneten einsammeln – vom Bürgermeister über den Departements- und Regionalrat bis zu den nationalen Abgeordneten. Diese Aufgabe ist bereits für einen Kandidaten ziemlich schwierig und mit enormem Aufwand verbunden. Denn ab sofort müssen diese 500 Unterschriften nicht mehr gegenüber dem potentiellen Kandidaten geleistet werden, sondern müssen direkt an den Verfassungsrat geschickt werden, was in der Praxis bedeutet, dass ein Abgeordneter einem potentiellen Kandidaten durchaus seine Unterstützer-Unterschrift zusagen kann, ohne diese dann tatsächlich zu leisten.

Zumal ab sofort alle Unterschriften öffentlich gemacht werden müssen, was wiederum für jeden gewählten Volksvertreter ein Risiko birgt – wer einen unabhängigen Kandidaten unterstützt, läuft Gefahr, als „Nestbeschmutzer“ Probleme in der eigenen Partei zu bekommen.

Auch das Rederecht bei öffentlichen Veranstaltungen soll für unabhängige Kandidaten eingeschränkt werden. Das Prinzip der Gleichheit, das eigentlich zu den drei Grundpfeilern der französischen Republik zählt, wird durch einen schwammigen Paragraphen ersetzt, der besagt, dass sich die Redezeit der Kandidaten an dessen „Repräsentativität“ und „seinem Beitrag zur Animation des Wahldebatte“ bemisst – zwei wachsweiche Parameter, die im Grunde weder mess- noch anfechtbar sind.

Der Apparat der Macht in Frankreich beginnt zu bröckeln. Sozialisten und Konservative können auch die Umfragewerte lesen und wissen, dass die Zeit der großen Volksparteien vorbei ist. Immer mehr Franzosen suchen nach politischen Alternativen, was auch der Grund für den Erfolg des Front National ist. Neue, thematisch orientierte Formationen werden sich schon bald entwickeln und eine echte Herausforderung für das politische Establishment darstellen. Diese Erschwernis für unabhängige Kandidaten oder Kandidaten kleiner Parteien ist der hilflose Versuch von „links“ und „rechts“, die Macht irgendwie in den eigenen Händen zu halten, was aber mittel- und langfristig nicht gelingen wird. So ist es auch kein Wunder, dass sich die französische Öffentlichkeit sehr für diesen Vorgang interessiert und bereits entsprechende Petitionen lanciert hat. Und ebenso aufmerksam wurde notiert, dass eine solche Entscheidung von gerade einmal einer Handvoll Abgeordneter getroffen wurde. Die sich offenbar mehr für ihre Positionen als für die französische Politik interessieren. Was dann auch nur dazu beitragen kann, dass sich die Wählerinnen und Wähler nach Alternativen umsehen werden…

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