Wie sich Frankreichs Linke selbst auffrisst…

Dass Frankreich momentan eine ganz schwache Regierung hat, das ist klar. Dass ihr gegenüber eine ebenfalls ganz schwache Opposition steht, macht die Lage nicht einfacher.

Adrien Quatennens wird zu einer echten Belastung für die "linken" Partner in der Opposition. Foto: Jean-Luc Hauser / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Wenn man sich sechs Jahre zurückerinnert, dann wurde Frankreich von der Sozialistischen Partei PS regiert. Präsident François Hollande war Sozialist, 21 der damals noch existierenden 22 französischen Regionen wurden von Sozialisten geleitet, die linken Parteien hatten die Mehrheit in Parlament und Senat – Frankreich war ein „linkes“ Land. Doch bei den letzten Wahlen 2022 erreichten die Sozialisten nur noch zwischen 1 und 2 % der Stimmen, doch gleichzeitig konnte auch keine andere „linke“ Partei entscheidend punkten. Nur „La France insoumise“ (LFI, „Das unbeugsame Frankreich“) und ihr immer und überall aneckender Chef Jean-Luc Melenchon kam knapp über 20 % der Stimmen. Und die Grünen? Die sind zwar keine „linke“ Partei, können aber bei landesweiten Wahlen auch nicht richtig punkten. Und jetzt das. Adrien Quatennens.

Adrien Quattenens war einst der Hoffnungsträger der LFI und Melenchons politischer Ziehsohn. Zum Abgeordneten der Nationalversammlung und zur Nummer 2 der Partei hatte er es schon gebracht. Doch dann geriet seine politische Karriere aus dem Tritt, als er von einem Gericht wegen häuslicher Gewalt verurteilt wurde. Nur befand sich die LFI zu diesem Zeitpunkt bereits in der neuen Oppositions-Fraktion NUPES, in der die Abgeordneten verschiedener „linker“ und ökologischer Parteien gemeinsam sitzen. Also Parteien, die sich alle unter anderem die Verteidigung von Frauenrechten und den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen auf die Fahne geschrieben haben. In so einer Konfiguration könnte man meinen, dass ein hoher Funktionär, der seine Frau schlägt, hier eigentlich nichts mehr zu suchen hat. Weit gefehlt.

Die LFI diskreditierte die gesamte linke Opposition, indem sie Adrien Quatennens nach vier Monaten Suspendierung wieder in die Fraktion zurückkehren ließ. Ein verurteilte Schläger einer Frau sitzt also wieder für die „linke“ Opposition im Parlament. Allerdings haben sich die anderen Parteien innerhalb der NUPES erbeten, dass der Mann künftig nicht mehr an den regelmäßigen Fraktions-Vorstandssitzungen teilnimmt, wenn alle „linken“ Parteien gemeinsam ihre politische Richtung definieren. Denn mit Quatennens wollen die anderen „linken“ Parteien nicht mehr an einem Tisch sitzen.

Die grüne Abgeordnete Sandra Regol hatte völlig Recht, als sie sagte, dass Abgeordnete eine besondere Verpflichtung zur Exemplarität haben und es daher unverständlich sei, dass Quatennens wieder im Parlament sitzen könne. Denn das ist im Grunde die Negierung aller Anstrengungen, Gewalt gegen Frauen einzudämmen. Wenn das Schlagen einer Frau für einen hohen Politiker ein „Kavaliersdelikt“ ist, mit welchem Argument will man dann genau diese Gewalt ächten?

Selbst innerhalb der NUPES-Fraktion klappt es einfach nicht, Frankreichs „linke“ Parteien auf einen Nenner zu bringen. Doch wenn die LFI wohlwollend ihrer Nummer 2 gerichtsnotorische häusliche Gewalt durchgehen lässt, dann diskreditiert sie den Kampf gegen häusliche Gewalt, den die „linken“ Parteien seit Jahren führen. Viele der LFI-Wähler waren im Superwahljahr 2022 ehemalige PS-Wähler, die ihrer Partei enttäuscht den Rücken gekehrt hatten. Doch so, wie diese Opposition selbst ihre eigenen, richtigen Ziele sabotiert, darf man sich im „linken“ Spektrum nicht wundern, dass auch die letzten Wähler abwandern.

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