Wie viele „Akte“ denn noch?

Auch an diesem Wochenende werden die „Gelbwesten“ in Frankreich demonstrieren, die Innenstädte lahmlegen und Straßenschlachten mit der Polizei suchen.

Nach "Akt 14" kommt nun "Akt 15". Und es wird langsam langweilig... Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Seit dem 17. November 2018 ist in Frankreich nichts mehr so, wie es mal war. Die „Gelbwesten“ starten damals ihre Protestaktionen, die zu diesem Zeitpunkt große Unterstützung in der Bevölkerung fanden. Denn ihre Forderungen waren konkrete Verbesserungen für sozial schwache Mitbürger, wie beispielsweise die Rücknahme einer geplanten Steuererhöhung für Kraftstoffe oder auch die Erhöhung von Renten und Mindestlohn. Drei Monate später geht es kaum noch um soziale Fortschritte und die „Gelbwesten“ haben den Zeitpunkt verpasst, an dem sie wichtige Akteure eines sozialen Wandels in Frankreich hätten sein können.

Am Samstag steht also „Akt 15“ auf dem Programm. Und es wird sein wie an jedem Wochenende seit dem 17. November. Wütende Menschen in Gelb werden durch die Straßen ziehen, den Rücktritt von Präsident Macron und die Einführung einer Referendums-Diktatur und mehr Gehör fordern, doch bereits da wird es problematisch.

Seit Wochen laufen die „Großen nationalen Debatten“, bei denen die Franzosen ihre Kritik, aber vor allem ihre Vorschläge zur Verbesserung der Französischen Republik formulieren können und in diesen Debatten zeigt sich deutlich, wo das Problem mit den „Gelbwesten“ liegt – sobald sie das Wort haben und gehört werden, haben sie nichts mehr zu sagen und kokettieren nur noch mit ihrer Verweigerung eines Dialogs und glänzen durch das Fehlen konkreter Vorschläge, die mehrheitsfähig wären.

Dass die Mobilisierung der „Gelbwesten“ Woche für Woche abnimmt, ist beinahe logisch. Übrig bleiben in diesen Demonstrationen vor allem diejenigen, die jeden Samstag Lust auf Prügeleien mit den Ordnungskräften haben, die Samstag für Samstag ihren Hass und ihre extremistischen Parolen brüllen wollen und die dabei von friedlichen Schäfchen in Gelb begleitet werden, die einen wirksamen Schutz für die Stadtguerilla bilden und gar nicht mehr merken, was für Extremisten in ihrem Schutz frei agieren können.

In drei Monaten haben es die „Gelbwesten“ nicht geschafft, eine kohärente Linie zu finden, ein paar halbwegs intelligente und charismatische Führungspersönlichkeiten zu identifizieren und in einen Dialog mit den 99,9 % der Franzosen zu treten, die sich nicht an den samstäglichen Demonstrationen beteiligen. Inzwischen haben auch die Salon-Intellektuellen gemerkt, dass die Aufmärsche am Wochenende eher die Vorboten von 1933 und nicht etwa von 1968 sind und diese „Revolution“ hat im Grunde keinerlei Unterstützung von Intellektuellen, Politikern (bis auf die Extremisten) oder Künstlern und Sportlern. Zwar sind sich alle einig, dass Frankreich soziale Reformen durchführen muss, doch die „Gelbwesten“ werden nicht diejenigen sein, die diesen sozialen Fortschritt mitgestalten werden.

Auch am Samstag sind in Straßburg wieder Demonstrationen angesagt, bei denen ein paar Hundert Demonstranten die Geschäfte zum Schließen zwingen werden, grölend durch die Straßen ziehen und dabei brüllen „Wir sind das Volk!“. Nur – diese Leute sind nicht das Volk, sondern verwandeln sich von einem sozialen Impulsgeber in eine reine Krawallbewegung, die Woche für Woche an Unterstützung verliert.

Die schwindende Unterstützung für eine Bewegung, die sich zum Sammelbecken für Extremisten aller Couleur, Antisemiten, Ausländerhasser, Kleinkriminelle, Vertreter kruder Komplott-Ideen und Bürgerkriegstreibern gewandelt hat, hat den Elan für einen sozialen Wandel in Frankreich nicht gestoppt. Doch „sozialer Wandel“ und „Gelbwesten“ werden kaum noch in einem Atemzug genannt – die eigene Konzeptlosigkeit der „Gelbwesten“ disqualifiziert sie für einen ergebnisorientierten Dialog. Hoffen wir, dass „Akt 15“ ohne Gewalt abläuft, denn langsam, aber sicher, sind die Franzosen von dieser permanenten Gewalt und extremistischen Aggressivität müde. Doch das haben die „Gelbwesten“ immer noch nicht gemerkt.

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