Wieso gedenkt Deutschland nicht des 8. Mai?
In vielen Ländern ist heute Feiertag, um des Endes des II. Weltkriegs zu gedenken. Nur in Deutschland fühlt man sich von diesem Datum nicht angesprochen.

(KL) – In Frankreich und vielen anderen Ländern ist heute Feiertag. Denn am 8. Mai 1945 unterzeichnete Feldmarschall Wilhelm Keitel in Berlin-Karlshorst die bedingungslose Kapitulation Nazi-Deutschlands und damit war der II. Weltkrieg vorbei. Seither begeht die Welt den 8. Mai als den Tag des Sieges über den Faschismus und des Endes des II. Weltkriegs. Nur Deutschland bleibt außen vor, dabei hätten wir Deutschen mehr Grund diesen Tag zu begehen als alle anderen. Doch am 8. Mai herrscht in Deutschland das Schweigen im Walde. Allerdings ist dieser Gedenktag in diesem 3. Kriegsjahr recht schwierig richtig zu begehen, denn der Slogan, unter dem dieser Tag jahrzehntelang stand, „Nie wieder Krieg!“, ist leider hinfällig geworden.
Die Alliierten waren froh, dass das nach 12 Jahren zusammengebrochene „1000jährige Reich“ am 8. Mai 1945 Geschichte und der Horror des Kriegs vorbei war. Doch das erste Land, das von den Nazis befreit wurde, war Deutschland. Für diese militärische Niederlage müsste Deutschland den Siegermächten auf ewig dankbar sein, denn niemand mag sich ausmalen, was passiert wäre, hätten die Nazis diesen Krieg gewonnen.
Dass man sich in Deutschland schwer tut, die eigene Kapitulation zu begehen, ist zwar falsch, aber gerade noch nachvollziehbar. Doch was hindert Deutschland daran, des Endes eines Krieges zu gedenken, bei dem bis zu 100 Millionen Menschenleben dem Wahnsinn der Nazis zum Opfer fielen? Was hindert Deutschland daran, das Ende der Shoah zu begehen? Was hindert Deutschland daran, seitdem diesen Tag als „Tag des Friedens“ zu ehren? Lange Jahre wäre das die richtige Reaktion gewesen, doch dazu scheint es heute zu spät zu sein, zu einem Zeitpunkt, zu dem das Wort „Frieden“ zum Schimpfwort geworden ist. Und dieser Umstand macht diesen Gedenktag selbst dort problematisch, wo man eigentlich den Sieg über Hitler und seine Schergen feiert.
Denn alles, was man acht Jahrzehnte lang zu solchen Gelegenheiten erzählte, ist heute nicht mehr gültig. Heute wollen die Führer der Siegermächte wieder Krieg. Mit modernen Waffensystemen, die noch effizienter töten als die Waffen damals, mit Bodentruppen, die beispielsweise der französische Präsident bereit wäre in die Ukraine zu schicken, mit Säbelrasseln und nuklearer Drohung. In diese Kriegsstimmung passt heute ein „Friedenstag“ überhaupt nicht mehr. Folglich muss man damit rechnen, dass man heute im Westen und morgen in Russland (hier wird das Ende des II. Weltkriegs einen Tag später, am 9. Mai begegangen), eher martialische Töne hört, mit Siegesparolen, mit der aktuellen Propaganda, die heute lautet, dass man China, Indien, Brasilien und Südafrika, also die engsten Partner Russlands, überzeugen will, dass diese auf Russland einwirken, damit Moskau seine Truppen aus der Ukraine zurückzieht und wenn das erwartungsgemäß nicht funktioniert, dann geht man eben in den III. Weltkrieg.
In Russland hört man heute bereits die gleichen Sprüche wie in den letzten Weltkriegen, wie ehrenvoll es doch sei, für Mütterchen Russland zu sterben. Am liebsten würde man am heutigen 8. Mai alle dazu verdonnern, den ganzen Tag lang Dokumentarfilme über die beiden ersten Weltkriege anzuschauen, damit die Menschen sehen, dass an Krieg nichts Heldenhaftes, nichts Positives und nichts Schönes ist, wenn die Jugend der Länder elend im Schlamm von Granaten zerrissen wird oder beim Sturm aus dem Schützengraben niedergemäht wird.
Vielleicht wäre es ehrlicher, würde man diesen 8. Mai und auch den 11. November (das Ende des I. Weltkriegs, der in Deutschland ebenfalls kein Gedenktag ist) so lange aussetzen, bis die Welt kein riesiges Schlachtfeld mehr ist. Man könnte ihn ja nach dem III. Weltkrieg wieder einführen, zusammen mit dem Tag, an dem dann dieser III. Weltkrieg enden wird. Nur mit Sprüchen wie „Nie wieder Krieg!“ sollten uns heute möglichst nicht diejenigen behelligen, die unsere Welt bereits zum dritten Mal in eine unsägliche Katastrophe führen.
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