Wieso ignorieren wir weiterhin die BRICS-Staaten?

Während sich die BRICS-Staaten erweitern und immer schlagkräftiger werden, wird der größte informelle Staatenbund der Welt weiter vom Westen ignoriert. Unglaublich.

Wer heute im Westen meint, die BRICS-Staaten weiter ignorieren zu können, sollte den Job wechseln. Foto: Ministério da Ciência, Tecnologia e Inovações / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Wozu dienen eigentlich die Heerscharen smarter und teurer Berater in den europäischen und generell westlichen Regierungen, wenn diese ihre Politikern weiterhin ins Ohr flüstern, dass man die Existenz der BRICS-Staaten ruhig weiter ignorieren kann? Dabei hängen mögliche Lösungen der aktuellen Weltkrisen davon ab, dass sich der Westen mit den BRICS-Staaten verständigt. Doch dazu wäre es hilfreich, würde man diesen Staatenbund erst einmal wahrnehmen. Und das sollte besser schnell passieren, denn wie sich auf einem Außenministertreffen der BRICS-Staaten in Südafrika vor einigen Tagen zeigte, haben die BRICS ambitionierte Ziele. Und die Mittel, diese zu erreichen.

Die fünf BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) repräsentieren bereits mehr als 40 % der Weltbevölkerung und erzielen 31,5 % des Welt-Bruttosozialprodukts. Damit sind die BRICS-Staaten auch die größte Wirtschaftsmacht der Welt und nicht etwa die G7, deren Anteil am Welt-Brottosozialprodukt in den letzten 40 Jahren von über 50 auf 30 % gesunken ist. Da stellt sich kaum noch die Frage, wo die Dynamik liegt.

In Südafrika wurde ebenfalls beschlossen, an einer gemeinsamen BRICS-Währung zu arbeiten. Die Einführung einer gemeinsamen BRICS-Währung dürfte für Dollar und Euro das Ende als Leitwährung bedeuten und das wirtschaftliche und politische Zentrum der Welt weit nach Osten verschieben.

Dass sich der Westen weigert, diese BRICS-Realität zu sehen und anzuerkennen, erkennt man daran, dass westliche Politiker nach wie vor versuchen, die Russlandpartner wie China oder Brasilien auf ihre Seite zu ziehen und von diesen Ländern ernsthaft erwarten, sie würden Russland unter Druck setzen. Statt sich auf der diplomatischen Bühne lächerlich zu machen, wären die westlichen Staaten besser beraten, eine Strategie der Zusammenarbeit mit BRICS zu entwickeln, denn ohne eine solche Strategie wird es kein Ende des Ukraine-Kriegs und die Weiterführung des Wirtschaftskriegs zwischen Ost und West geben.

Nimmt der Westen BRICS deshalb nicht wahr, weil die fünf (und bald mehr) Länder keine so ineffiziente Organisation aufgebaut haben wie die Europäer? In der Tat, es gibt (noch) keine feste BRICS-Struktur, da diese fünf Länder andere Prioritäten gesetzt haben. Das erste, was sie gründeten, war die „New Development Bank“ mit Sitz in Shanghai, über die inzwischen pharaonische Projekte in Asien und bis nach Europa finanziert werden. Schade, dass die EU es damals nicht für nötig hielt, das Angebot einer substantiellen Beteiligung an dieser Bank anzunehmen – und plötzlich war Europa außen vor.

Während die USA und einige europäische Regierungschefs wie Frankreich Emmanuel Macron weiter ihren Großmachts-Fantasien hinterherhängen, hat sich die Weltordnung grundlegend verändert. Politisch und wirtschaftlich wird künftig nichts mehr ohne eine Verständigung mit den BRICS-Staaten gehen und vor diesen Tatsachen die Augen zu verschließen ist nicht nur ziemlich weltfremd, sondern sogar gefährlich.

Der Ukraine-Krieg hat das Potential zum III. Weltkrieg zu werden und der wird nicht etwa „Russland und ein paar Unterstützer gegen den Westen“ lauten, sondern der „Westen gegen BRICS“. Um ein derartiges Desaster zu verhindern, muss man jetzt im Westen die Realitäten erkennen und endlich aufhören, sich die Lage schönzureden. Und man sollte sich in Brüssel, Washington, London, Paris und Berlin (und anderswo) auch an den Satz von Mikhail Gorbatchev erinnern: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ Momentan kommt der Westen zu spät zu einem Rendezvous mit der Geschichte – und das kann üble Folgen haben.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste