Wilde Sprachentwicklungen

Zusammen mit der Volksgesundheit geht auch die Qualität der Sprache den Bach 'runter. Doch die Sprache spiegelt ziemlich genau den Zustand der Gesellschaft wider.

Dieser Herr würde sich bei der aktuellen Sprachentwicklung vermutlich im Grab umdrehen... Foto: Aschroet / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) – Seit zwei Jahren tobt auf der ganzen Welt eine Pandemie, die sich inzwischen fest etabliert hat, da sich die Welt nach wie vor weigert, sie gemeinsam zu bekämpfen. Jedes Land möchte der „Champion“ sein, jede Regierung möchte diejenige sein, die diese Pandemie im Alleingang besiegt hat. Doch das ist alles ziemlich sinnlos und während die Pandemie aufgrund systematisch falscher Entscheidungen munter weiter wütet, passen wir unser Sprachniveau an.

Einerseits wird nun eine infantile Sprache verwendet, mit der suggeriert werden soll, dass alles halb so schlimm ist. Zum Beispiel mit dem hübschen Ausdruck „Pieks“, der die Impfungen bezeichnet. Herrje, ein „Pieks“! Da ist doch nun wirklich nichts dabei! Ein „Pieks“, das ist weniger als ein Bienenstich, etwas, das man Sekunden nach erfolgtem „Pieks“ schon vergessen hat. Und wer sich gegen einen „Pieks“ sperrt, der muss ja nun wirklich ein Weichei sein. Das es jede Menge Probleme mit diesen „Pieks“ gibt, wie rapide schwindende Effizienz, nicht geklärte Nebenwirkungen und anderes, das verschwindet unter dem „Pieks“-Radar. Alles halb so wild, stellt euch nicht so an, es geht ja nur um einen „Pieks“.

Andererseits werden Begriffe verwendet, bei denen es einem kalt den Rücken herunterläuft. Hätte man nicht einen anderen Ausdruck finden können als „Totimpfstoff“? Schon klar, dieser fürchterliche Begriff bezeichnet einen Impfstoff, der aus einem abgetöteten Virus besteht, mit dem der Organismus trainiert wird, sich gegen dieses Virus zu wehren. OK. Aber „Totimpfstoff“? Zu einem Zeitpunkt, zu dem über 5 Millionen Menschen mit diesem Virus gestorben sind (die Dunkelziffer soll deutlich darüber liegen), hätte man vielleicht einen anderen Begriff prägen können als „Totimpfstoff“. Denn das Ziel dieses Produkts ist ja eigentlich das „Leben“…

Booster“ ist auch so ein Wort. Nicht nur, dass der Begriff nach einem mit Taurin und Koffein überladenen Lifestyle-Drink klingt, dazu kommt, dass „boosten“ das kurzzeitige Steigern einer bereits vorhandenen Leistung ist. Man „boostet“ also etwas, was bereits stark läuft und dank des „Boosts“ eben noch ein wenig besser läuft. Aber dieser „Booster“ ist dazu gedacht, Impfstoffe aufzufrischen, die ihr Mojo verloren haben. Die nicht mehr wirken. Da vermittelt der Begriff „boosten“ einen völlig falschen Eindruck.

Oder schauen wir auf die „Wellen“. „Wellen“ sind ein natürliches Phänomen, das in den Weltmeeren vom Wechsel der Mondposition oder auch von Strömungen und Winden ausgelöst wird. Die Pandemie findet nicht in „Wellen“ statt, schon gar nicht in „Wellen der Ungeimpften“ oder „Wellen der Geimpften“ oder sonstwelchen „Wellen“, sondern das Auf und Ab des pandemischen Geschehens ist nicht etwa die Konsequenz eines natürlichen Phänomens, sondern inkompetenter Entscheidungen von Politikern, die häufig aufgrund persönlicher Ambitionen im falschen Moment die falschen Maßnahmen treffen. Aber „Wellen“, das hat so etwas Gottgegebenes, etwas, wogegen man sich nicht wehren kann, eine Naturgewalt.

Immerhin, der offizielle Diskurs passt sich ganz langsam den Realitäten an. Luden die Werbespots der Regierungen die Bevölkerung noch vor wenigen Wochen ein, sich nach erfolgtem „Pieks“ wieder in die Arme der geliebten Menschen zu stürzen, so hat man inzwischen begriffen, dass sich diese Aufforderung am Rande zur Aufforderung zur Körperverletzung bewegt. Und zum Glück haben die Regierungen auch den Zusatz „und schützen Sie die anderen“ auf ihrem Narrativ gestrichen, nachdem seit Monaten klar ist, dass man sich nach erfolgter Impfung im Idealfall selbst, aber leider niemand anderen schützt.

Die Sprachentwicklung ist ähnlich chaotisch wie die pandemische Entwicklung selbst. Allerdings sollte man aufpassen, dass man sich von diesen Worten nicht einlullen lässt. Denn Manipulation beginnt mit der Sprache und wir befinden uns schon mitten in der Phase, in der Informationen mit sehr viel Vorsicht zu geniessen sind, vor allem, wenn es darum geht, uns die nächsten Ungeheuerlichkeiten zu verkaufen. Und das wird sich in den kommenden Wochen noch deutlich verschärfen.

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