„Wir arbeiten dafür, dass ‘europäische Biographien’ entstehen!“

Interview mit dem neuen Direktor des Goethe-Instituts Nancy Nicolas Ehler und der neuen Leiterin des Straßburger Büros des Goethe-Instituts, Violaine Varin.

Nicolas Ehler und Violaine Varin haben ambitionierte Pläne für das Goethe-Institut im Osten Frankreichs. Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Es tut sich einiges beim Goethe-Institut, der wichtigsten Kulturorganisation Deutschlands im Ausland. In Nancy, wo gerade die komplett renovierten Räumlichkeiten des Goethe-Instituts eröffnet wurden, das für die ganze ostfranzösische Region zuständig ist, wurde im März mit Nicolas Ehler ein neuer Direktor berufen und für das Elsass ist ab sofort Violaine Varin zuständig. Zwei überzeugte Europäer, die mit viel Dynamik neue Projekte angehen. Beispielsweise zusammen mit der Straßburger Stiftung „Fondation Entente Franco-Allemande“, wo wir die beiden zum Gespräch getroffen haben.

Herr Ehler, welches sind die wichtigsten Aufgaben des Goethe-Instituts in Nancy, dessen Leitung Sie gerade übernommen haben?

Nicolas Ehler: Unsere Hauptaufgaben als größte deutsche Kultureinrichtung im Ausland sind natürlich die Förderung der deutschen Sprache, aber auch die Förderung des interkulturellen Austauschs. Dabei wollen wir weniger „Experten“ sein, als vielmehr eine Plattform für einen Dialog schaffen, wollen uns in die jeweilige lokale und regionale Landschaft mit den dortigen Akteuren einbringen und daraus ergeben sich dann konkrete Projekte. Unsere Arbeit ist rund um vier Säulen aufgebaut, die Sprachkurse, die Bibliothek, die Kooperation im Bildungsbereich und das Kulturprogramm.

Wir arbeiten in unseren Projekten grundsätzlich nicht alleine, sondern versuchen, uns in lokale Gegebenheiten und den konkreten Bedarf einzubringen. Das ist in der Großregion Ostfrankreich eine besondere Aufgabenstellung, denn hier gibt es aufgrund der Nähe zu Deutschland und der besonderen geographischen Lage der Region im Herzen Europas einen ganz spezifischen Bedarf, aber eben auch ganz spezifische Möglichkeiten, die andere Goethe-Institute in anderen Regionen der Welt nicht in diesem Maß haben.

Zum Beispiel?

NE: Wir sind beispielsweise stark im Bereich der Vermittlung von Sprachkompetenzen in der beruflichen Ausbildung junger Menschen involviert. Diese müssen nicht unbedingt den „Erlkönig“ auswendig lernen, sondern brauchen berufsspezifische Sprachkenntnisse, mit denen sie im Nachbarland auf dem Arbeitsmarkt zurechtkommen.

Das Goethe-Institut hat also vier Haupttätigkeitsfelder – wie groß ist Ihre Struktur in Nancy und Straßburg?

NE: In Nancy sind wir ein Team von 17 Personen und hier in Straßburg freuen wir uns sehr, mit Violaine Varin eine so engagierte Leiterin gefunden zu haben!

Frau Varin, sich mehr oder weniger alleine für das Goethe-Institut um das ganze Elsass zu kümmern, ist keine kleine Aufgabe…

Violaine Varin: Das stimmt, aber ich bin ja zum Glück nicht ganz alleine. Zum einen habe ich, wenn das erforderlich ist, den persönlichen Support von Herrn Ehler und anderen Teammitgliedern in Nancy, zum anderen kenne ich das kulturelle Umfeld im Elsass schon aus früheren Tätigkeiten.

Und was haben Sie da gemacht?

VV: Ich bin Deutsch-Französin mit Herz und Kopf… nach einem deutsch-französischen Journalismus-Studium war ich zwei Jahre im Bildungsbereich an der französischen Botschaft in Berlin, dann vier Jahre beim „Maison de l’Architecture“ in Straßburg und dann vier Jahre beim Institut Français Sachsen-Anhalt in Magdeburg.

Und wo haben Sie sich mit dem „deutsch-französischen Virus“ infiziert?

VV: Das war 1990, als ich das erste Mal mit meinen Eltern nach Deutschland, nach Berlin gefahren bin. Obwohl ich noch ein Kind war, konnte ich überall diese Aufbruchstimmung spüren, die mit der Wiedervereinigung einherging. Damals sagte ich zu meinen Eltern: „Diese Sprache will ich lernen…“

Herr Ehler, Sie haben also das Glück, eine „Überzeugungstäterin“ an Ihrer Seite zu haben. Sind Sie selber auch so ein „Überzeugungstäter“?

NE: Natürlich! Nach meinem Studium in Köln und Lille habe ich das Kulturprogramm des Goethe-Instituts in Lyon geleitet, bevor ich im März nach Nancy kam…

Und nun stehen große Veränderungen mit der neuen ostfranzösischen Gebietsreform ins Haus…

NE: Für uns ist das gar keine so große Veränderung. Im Grunde war das Goethe-Institut eine Art „préfigurateur“ der neuen ostfranzösischen Region, da Nancy immer schon für die Regionen Lothringen, Champagne-Ardenne und das Elsass zuständig war. Insofern folgt jetzt diese Gebietsreform unserer eigenen Praxis.

Und wie sehen Sie die Veränderungen, die außerhalb des Goethe-Instituts mit dieser Gebietsreform einhergehen?

NE: Die Veränderungen bieten als erstes eine große Chance für die ganze Region, die das Potential hat, im Herzen Europas zu einer wirklich europäischen Region zu werden. Das Potential für Austausch und Kooperationen ist riesig, insofern können wie diese Entwicklung nur begrüßen. Gerade die europäische Ausrichtung dieser neuen Region entspricht absolut unserer eigenen Mission, die ja nicht nur in der deutsch-französischen Zusammenarbeit zu sehen ist – wir sind uns unserer europäischen Verantwortung bewusst und wollen hier ganz aktiv unseren Beitrag leisten.

Zurück von der großen Politik auf die regionale Ebene – wir mussten kürzlich den Tod ihrer Kollegin Erika Demenet beklagen, die 28 Jahre lang das Gesicht des Goethe-Instituts in Straßburg war. Werden Programme wie der erfolgreiche Kinozyklus „Germanofilms“ in Zusammenarbeit mit Wim Wenders Lieblingskino, dem „Odyssée“ in Straßburg weiterlaufen?

VV: Auf jeden Fall. Das Programm für die nächsten Monate steht schon und wir werden diese großartige Arbeit unbedingt weiterführen!

Das Goethe-Institut ist also gut für die kommende Zeit in der ostfranzösischen Region aufgestellt?

NE: Auf jeden Fall! Dabei verändern wir uns mit der Zeit – ging es früher in erster Linie darum, die deutsche Sprache als „klassische Institution“ zu vermitteln, ist unser Ziel heute viel mehr, „europäische Biographien“ zu fördern, beispielsweise einem französischen Jugendlichen die Sprache und interkulturelle Kompetenz zu vermitteln, damit er sich in Deutschland auf dem Arbeitsmarkt umschauen und am Wochenende mit seinen Freunden Party in Luxemburg machen kann. Dies geht nirgends besser als in dieser großen Region mit ihrer Grenznähe und ich bin überzeugt, dass man in dieser Konstellation mehr erreichen kann, als die Nationalstaaten dies alleine könnten. Hier kann eine richtig europäische Region entstehen, mit einer ganz eigenen Willkommenskultur, mit unendlich vielen Möglichkeiten. Dafür arbeiten wir und darauf freuen wir uns!

Und was für Projekte bereiten Sie gerade mit der FEFA vor?

NE: Das werden Ihnen Präsident Mandon und ich schon bald mitteilen können…

Keine kleine Indiskretion im Vorfeld?

NE: Verraten kann ich Ihnen nur so viel zum jetzigen Zeitpunkt, dass es sich um Projekte handeln wird, die genau zum Goethe-Institut und der FEFA passen werden…

Violaine Varin, Nicolas Ehler, vielen Dank für das Gespräch!

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