(Summer special 2022) – Wir feiern das Ende des II. Weltkriegs…

Am 8. Mai 1945 kapitulierte Nazi-Deutschland und Europa feierte erleichtert den Frieden. Dieses Jahr sind die Feierlichkeiten seltsam, denn wir bereiten gerade den III. Weltkrieg vor.

Generalfeldmarschall Keitel unterzeichnet am 8. Mai 1945 die Kapitulation Nazi-Deutschlands. Und wer unterschriebt am Ende des III. Weltkriegs? Foto: Ruffneck'88 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

Das war am 8. Mai. Inzwischen klingt der Slogan „Nie wieder Krieg“ schon fast zynisch… 

(KL) – „Nie wieder Krieg“, so lautete die Losung fast 80 Jahre lang am 8. Mai. An diesem Tag feiert die Welt das Ende des Nazi-Regimes und des III. Weltkriegs, der Millionen Menschenleben kostete und ein verwüstetes Europa hinterließ, dessen Wiederaufbau in einigen Ländern bis heute noch nicht vollständig abgeschlossen ist. Und heute erinnern wir uns wieder, holen die alten Bilder hervor, als Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel mit ernster Miene in Berlin-Karlshorst die Kapitulation unterzeichnete. Hurra, das Ende des Kriegs! Hurra, das Ende von Nazi-Deutschland! Doch die Erinnerung wird dadurch getrübt, dass das „Nie wieder Krieg“ ungehört verhallt ist und wir heute auf dem Weg in den III. Weltkrieg sind. Wie kann man in dieser Situation und an diesem Tag wie mechanisch „Nie wieder Krieg“ wiederholen?

Jahrzehnte lang haben Soziologen, Politologen, Psychologen versucht zu ergründen, wie es zu Massenhysterien kommen kann, die dann in totalitäre Systeme und in der Folge in Kriege münden? Es wurden wissenschaftliche Arbeiten erstellt, mit denen erklärt wurde, wie Massen durch Propaganda manipuliert werden, welche wirtschaftlichen Interessen hinter Kriegen stecken, wie man ein nationalistisches Narrativ aufbaut, das junge Menschen veranlasst, unbedingt für das Vaterland sterben zu wollen. Im Grunde wissen wir, wie Totalitarismus und Krieg funktioniert. Aber hält uns dieses Wissen und Verständnis davon ab, die gleichen Fehler ein drittes Mal zu begehen?

Wir sind bereits in der Vorkriegs-Phase des nächsten weltweiten Konflikts, einer Phase, in der sich wie 1914 und 1939 die „Werte“ verändern. Der Wert „Frieden“ wird durch den hinterfragbaren Wert „Nationalismus“ ersetzt und es bilden sich Interessensblöcke, die mit buchstäblich allen Mitteln versuchen, sich militärische und in der Folge politische und wirtschaftliche Vorteile zu erarbeiten. Es ist so, wie es immer im Vorfeld großer Kriege war und alle stolpern den Führern hinterher, die diese Konflikte bis zum letzten Blutstropfen austragen wollen, vor allem, wenn dieser letzte Blutstropfen nicht der ihre ist.

Heute fällt es schwer, den Sieg über Nazi-Deutschland und das Konzept des Kriegs zu feiern, denn es ist offensichtlich, dass wir das Konzept des Kriegs nie hinter uns gelassen haben. In unruhigen Zeiten beruhigen uns „Helden“, in unruhigen Zeiten lassen wir uns neue „Werte“ einreden, in unruhigen Zeiten rücken wir enger zusammen und sind bereit, erneut die schlimmsten Verbrechen zu begehen, weil andere auch Verbrechen begehen.

Haben wir im Ukraine-Konflikt wirklich alle Möglichkeiten ausgelotet, Russland in Richtung Frieden zu bewegen? „Putin versteht nur die Sprache der Sanktionen“, liest man an vielen Stellen. Versteht er sie wirklich? Drehen wir als Antwort auf seine durch nichts zu rechtfertigende Aggression nicht gemeinsam mit dem Kreml-Chef an der Eskalationsschraube?

8. Mai. Wie gerne würden wir heute, so wie in all den anderen Jahren, „Nie wieder Krieg“ sagen. Aber wer heute so etwas sagt, wird im besten Fall als „Weichei“ betitelt, im schlechtesten Fall als „Friedens-Terrorist“. Und da stellt sich die Frage, ob man den heutigen 8. Mai nicht ausfallen lassen sollte, denn im Jahr 2022 ist eine Aussage wie „Nie wieder Krieg“ reine Heuchelei. Wenn dieser III. Weltkrieg, auf den gerade alle zusteuern, dann irgendwann vorbei ist, dann werden sich zum dritten Mal alle anschauen und verwundert fragen, wie es denn nur so weit kommen konnte. Nur, um sich dann erneut ein paar Jahre lang gegenseitig zu versichern, dass es „nie wieder Krieg“ geben dürfe. Und das werden wir dann alle zusammen so lange machen, bis dann der nächste Krieg gestartet wird. An diesem 8. Mai ist es ziemlich frustrierend festzustellen, dass wir seit 1945 nichts dazugelernt haben.

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