Wir laufen offenen Auges in den nächsten europäischen Krieg

Tatenlos schauen wir zu, wie sich die NATO und Russland zähnefletschend gegenüber stehen, täglich militärisch und verbal aufrüsten – dabei sollten wir wissen, wohin das führt.

Wie viele dieser Kriegsmahnmale wie im französischen Compiègne brauchen wir eigentlich noch? Foto: Giorno2 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0

(KL) – Alle Kriege des letzten Jahrhunderts auf dem europäischen Kontinent haben als regionale Konflikte begonnen. Zwar mit unterschiedlichen Hintergründen, doch stets der gleichen Gesetzmäßigkeit folgend. Und – diese Kriege haben immer den gleichen wirtschaftlichen Interessen gedient. Wie es der französische Schriftsteller Anatole France auf eine einfache Formel brachte: „Wir glaubten, wir würden für die Ehre kämpfen, doch wir kämpften nur für die Industrie“. Und heute, im Jahr 2015, stehen wir hilflos vor dem nächsten Konflikt, der das Potential hat, die gleichen Dimensionen zu erreichen wie die beiden großen Kriege des letzten Jahrhunderts.

Täglich wird in Washington und Moskau weiter an der Eskalationsschraube gedreht, wobei niemand sagen kann, dass er das nicht mitbekommen würde. Denn der Krieg im „Format 2015“ ist nicht nur ein Krieg der modernen Waffensysteme, sondern auch ein „Kommunikationskrieg“; in dem die russische Seite ihre Bevölkerung ebenso aufhetzt wie die westliche Seite uns. Dabei sprechen die Fakten eine eindeutige Sprache – die, wenn man genau hinschaut, schnell deutlich macht, dass es in diesem Krieg keine „Guten“ und keine „Bösen“ gibt. Alle zusammen haben sich dem Diktat der mächtigen Waffenlobbys unterworfen und jede weitere Eskalationsstufe wird mit dem Etikett „alternativlos“ versehen und achselzuckend zur Kenntnis genommen. Und was werden Sie eines Tages Ihren Kindern und Enkeln sagen, wenn diese Sie fragen werden, was Sie getan haben, um das nächste kontinentale und globale Drama zu verhindern?

Es ist ein Krieg der modernen Medien und Waffensysteme, der aber auf den Kriegsschauplätzen ganz reale Menschenleben kostet – der Osten der Ukraine ist bereits für Generationen verwüstet, mehrere Tausend Zivilisten und Soldaten haben bereits ihr Leben gelassen und dieser regionale Konflikt ist gerade dabei, dank Washington und Moskau, zu einem europäischen Flächenbrand zu werden. Wobei die USA sich so verhalten, wie sie sich immer verhalten, wenn sie die Möglichkeit sehen, Exportmöglichkeiten für ihre Rüstungsindustrie zu schaffen – sie pumpen Waffen dorthin, wo sich Kriege entwickeln können. Und wir schauen einfach zu, weil wir im Bewusstsein groß geworden sind, dass die Amerikaner unsere Freunde sind und es schon richten werden. Gar nichts werden sie richten – sie stürzen gerade die Welt ins Chaos.

Momentan laufen im Schwarzen Meer Flottenmanöver der NATO, an denen auch ein deutsches Schiff beteiligt ist, die NATO bereitet ein weiteres Manöver in Lettland vor und die USA liefern Waffen an die Ukraine. Gegenüber stehen die Russen und machen genau das gleiche. Ab sofort reicht es, dass jemand ein Streichholz an die Lunte hält und ganz Zentraleuropa fliegt in die Luft. Während militärisch aufgerüstet wird, wird bereits verbal gekämpft. Mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, in den klassischen Medien, in den sozialen Netzwerken und jeder ist sich sicher, dass er Recht hat und auf der richtigen Seite steht. Dabei gibt es gar keine richtige Seite mehr.

Da man weiß, wie sich solche Situationen entwickeln, stellt sich die Frage, was man unternehmen kann, um diesen Wahnsinn zu stoppen. Und an der Stelle kommen wir zur persönlichen Verantwortung jedes einzelnen unter uns. Gut die Hälfte von uns geht nicht wählen und schreibt somit den Kriegstreibern, Extremisten und Erfüllungsgehilfen der internationalen Lobbys einen Blankoscheck aus. Und viel zu wenige von uns engagieren sich in Initiativen, in Parteien, im gesellschaftlichen Kontext. Und genau das ist die einzige Ebene, auf der Bürgerinnen und Bürger aktiv werden können und – müssen. Sofort. Die Geschichte hat uns gelehrt, dass man sich nicht allein auf die Verantwortlichen verlassen darf, da sich diese häufig unverantwortlich verhalten. Ebenso wenig sollte man sich darauf verlassen, dass die große Mehrheit es am Wahltag schon richten wird, während wir selber lieber zuhause bleiben. Darauf verlassen sich momentan die Franzosen, die davon ausgehen, dass bei den anstehenden Departementswahlen die anderen schon die braune Gefahr des Front National verhindern werden. Wobei sie nicht merken, dass die ohnehin schon seit letztem Jahr stärkste Partei Frankreichs in allen Umfragen Prozentpunkt um Prozentpunkt nach vorne rutscht.

Denken Sie doch am Wochenende, am besten bei einem ausgedehnten Spaziergang durch unsere wunderschöne Region, im Vorfrühling am paradiesischen Oberrhein, einmal darüber nach, wo und wie Sie sich engagieren können – sei es nur für zwei oder drei Stunden pro Woche. Denn wenn sich alle, oder wenigstens eine große Mehrheit der Bevölkerung für den Frieden aktiv engagieren, dann besteht noch Hoffnung. Andernfalls ist es nur eine Frage der Zeit, wann auch das Pulverfass Europa in die Luft fliegt.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste