Wir schulden Frankreich mehr als nur Mitgefühl

Die Angriffe auf Frankreich häufen sich. Dass wir Deutschen unser Mitgefühl ausdrücken, ist gut, richtig und wichtig. Doch eigentlich müssten wir noch viel mehr tun.

Solidarität zeigen, wie hier vor dem "Parlamentarium" in Brüssel, ist natürlich richtig, reicht aber nicht aus. Foto: LeJC / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Frankreich ist das Land in Europa, das die ganze Härte des Terrorismus am stärksten erleidet. Seit Januar 2015 und dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“ reißt die Serie nicht ab und auch, wenn noch nicht geklärt ist, ob der Mörder von Nizza tatsächlich im Zusammenhang mit dem IS stand, ist dies im Grunde fast zweitrangig. Denn die Radikalisierung junger Moslems in ganz Europa und speziell in Frankreich ist der Hintergrund, vor dem auch dieser Täter agierte. Genau deshalb schulden wir, genau wie alle anderen europäischen Länder, Frankreich mehr als nur den Ausdruck unserer Betroffenheit. Wir müssen gemeinsam mit Frankreich agieren, um diesen Sumpf eines terroristischen Potentials trocken zu legen. Kein Land Europas kann das alleine schaffen.

Die Radikalisierung, die wir überall in Europa beobachten, hat viele soziologische Hintergründe, um die sich die Experten kümmern müssen. Aufgabe der Staaten ist es aber im Moment, die Sicherheit zumindest wieder zu erhöhen, wobei man sich aber darüber im Klaren sein muss, dass es 100 % Sicherheit nicht geben kann und wird. Doch könnte man auf europäischer Ebene deutlich mehr tun, um die Gefahren zu verringern.

Denn die Terroristen, die in Frankreich, Belgien und anderswo morden und gemordet haben, verfügen über logistische Basen, die sich auch in Ländern wie Deutschland befinden. Dadurch entsteht für uns eine Verpflichtung, ganz anders als bisher mit der Thematik umzugehen. Auch, wenn sich das niemand gewünscht hat, werden wir unsere Position zum Thema „Religion“ neu definieren müssen. Wir leben in Europa zum Glück in laizistischen Gesellschaften und es kann nicht länger toleriert werden, dass sich unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit radikale Tendenzen ausbreiten. Wer in einem laizistischen Land leben möchte, wird sich künftig den dort herrschenden Spielregeln anpassen oder sich ein anderes Gastland suchen müssen.

In den Vorstädten der Metropolen Europas herrscht inzwischen überall das gleiche Bild – sie sind zu rechtsfreien Zonen geworden. Polizei, Krankenwagen und Feuerwehr werden bei Einsätzen angegriffen, bei den wenigen Razzien, die man sich durchzuführen traut, werden mengenweise schwere Waffen sichergestellt und in diesen Vorstädten herrscht nicht nur das Gesetz des Schweigens, sondern die Radikalisierer und Radikalisierten genießen in ihren Vierteln eine Art „Heldenstatus“, der dazu führt, dass sie von einer schweigenden Mehrheit gedeckt und geschützt werden. Hier wird man ansetzen müssen und die moslemischen Organisationen, ob sie das wollen oder nicht, werden mit Aktionsplänen aufwarten müssen, wie man dazu beitragen kann, diese Situation von innen heraus in den Griff zu bekommen. Solange aber Gewalttäter in diesen Vierteln einen sicheren Unterschlupf und logistische Unterstützung finden, so lange wird die Situation nicht befriedet werden können.

Und genau hier sind die europäischen Partner Frankreichs gefordert – mit einer deutlich fordernden Haltung gegenüber denjenigen, die in diesen rechtsfreien Zonen noch einen Rest an Einfluss haben. Und das sind nun einmal die moslemischen Organisationen und Verbände. Sich nach Anschlägen von den Tätern zu distanzieren, ist das Mindeste, doch nützt das herzlich wenig, so lange man nichts dagegen unternimmt, dass Terroristen und Straftäter im Schutz dieser Viertel und ihrer Bevölkerungen agieren und ihre Verbrechen planen können.

Und auch das ostentative Tragen religiöser Symbole muss ein Ende haben. Lange haben viele dafür gekämpft, dass Toleranz in unserer Gesellschaft herrscht, doch diese Toleranz kann nur funktionieren, wenn sie von beiden Seiten im Respekt gelebt wird. Und das ist ganz offensichtlich nicht der Fall. Im Grunde haben eigentlich die Moslems als allererste ein Interesse daran, bei solchen gesellschaftlichen Änderungen und der Trockenlegung des radikalen Sumpfs mitzuwirken – denn bei allem, was gerade passiert, ist klar, dass die Rechtsextremen und Ausländerhasser innerhalb kürzester Zeit die Macht in Europa übernehmen werden. Und ebenso klar ist, wer in einer solchen Situation die ersten Opfer einer ausländerfeindlichen und Minderheiten unterdrückenden Politik sein werden. Wer heute in einem laizistischen Staat darauf besteht, seinen Mitbürgern seine religiöse Identität unter die Nase zu reiben, der lebt im falschen Land.

Europa muss sich nun solidarisch mit Frankreich zeigen – nicht nur mit Mitgefühl und warmen Worten, sondern mit konkreten Handlungen. Kein Radikaler darf mehr in Deutschland und anderen Ländern ein sicheres Hinterland vorfinden und gerade und vor allem die moslemischen Communities müssen selbst daran mitarbeiten, potentielle Gewalttäter zu identifizieren, zu isolieren und dingfest zu machen. Denn wer Radikalen und Terroristen Unterschlupf und Support gewährt, macht sich an allem mitschuldig, was gerade passiert.

Die Zeiten haben sich geändert und werden sich weiter ändern. Und niemand kann mehr so weitermachen wie bisher.

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