Wir sind Straßburg

Jetzt hat es uns erwischt. Auch in Straßburg gehören wir nun zu den Städten, die man mit „Ich bin ...“ in den sozialen Netzwerken postet. Wir hätten gerne darauf verzichtet.

Wir lernen gerade schmerzhaft, was "Ich bin Straßburg" wirklich bedeutet... Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Als die Anschläge in Paris, Brüssel, Nizza, Berlin und anderswo passierten, haben wir genau so reagiert. Wir posteten Solidaritäts-Nachrichten wie „Ich bin Paris“ oder „Ich bin Charlie“ oder „Je suis Berlin“. Und natürlich hatten wir keine Ahnung, wie weit wir davon entfernt waren, wie man sich fühlt, wenn man wirklich „Straßburg“ (oder eine der anderen Städte) ist. Es ist ein wenig so, als sei das Chaos der Welt, das wir ansonsten entsetzt in der warmen Sicherheit unseres Zuhauses im Fernsehen verfolgen, plötzlich in unseren Garten eingebrochen, als habe es die Tür zu unseren Haus eingetreten und nun ist es da. Mitten unter uns. Das Chaos der Welt.

Wenn der Weg zum Supermarkt an einem Haufen Blumen und Kerzen vorbeiführt, wo noch die Reste des Sands zischen den Pflasterplatten liegen, mit denen man das Blut der Opfer von den Steinen entfernt hat; wenn die Menschen geduldig auch die xte Kontrolle über sich ergehen lassen und dabei gleich auf mehrere Maschinenpistolen schauen; wenn die Anwesenheit unzähliger Soldaten und Polizisten in der Stadt eine Beruhigung und kein Aufreger ist, dann ist man meilenweit von einer „Normalität“ entfernt. Straßburg lebt ab sofort mit der Gewissheit, dass „es“ auch bei uns passieren kann.

Dass noch so viele Fragen offen sind, ist beunruhigend. Es ist ja noch nicht einmal klar, ob es sich um einen terroristischen Anschlag oder den Amoklauf einer gescheiterten kriminellen Existenz handelte. Es ist völlig unklar, wie dieser Mensch seinen Amoklauf in der Innenstadt durchführen und vor allem, die Innenstadt wieder verlassen konnte. All das wird sich später klären. Doch jetzt müssen die Straßburger und Straßburgerinnen als erstes lernen, mit dieser neuen Situation zu leben.

Die Solidarität ist groß, Innenminister Castaner war vor Ort, Präsident Macron drückte die Anteilnahme der Nation aus, die lokalen Verantwortlichen waren ebenso präsent wie die ganze Bevölkerung, die sich gegenseitig durch diese unerträgliche Situation trug, als der Täter noch auf freiem Fuß unterwegs war und die Stadt den Atem anhielt, ob er sein blutiges Werk fortführen würde.

Straßburg wird diese Woche des Horrors mit hoch erhobenem Kopf und breiter Brust überstehen. Die Menschen werden ein Stückchen enger zusammenrücken und am Ende gestärkt aus diesem Albtraum hervorgehen. Der Hass, die Gewalt und das Blut auf unseren Straßen wird uns nicht in die Knie zwingen. Wir sind Straßburg.

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