Wird Deutschland Europas schlimmer Finger?

Deutschland blockiert, entgegen früherer Absprachen, das Ende des Verbrennermotors 2035. Alle EU-Länder sind sich einig, nur Deutschland nicht. Die Kritik an Berlin wird lauter.

Hier hätte besserer Klimaschutz für Europa beschlossen werden sollen. Deutschland war dagegen/ Foto; EU2017EE Estonian Presidency / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Diese Woche stand eine Entscheidung der EU-Staaten über den Ausstieg aus dem Verbrennermotor im Jahr 2035. Doch im letzten Moment verweigerte Deutschland seine Zustimmung und bei dieser Last-Minute-Verweigerung meint man, die Handschrift der deutschen Automobil-Lobby zu lesen. Die europäischen Partner fangen an, an Deutschlands Zuverlässigkeit zu zweifeln.

Der Knackpunkt sind die so genannten E-Fuels, also synthetische Kraftstoffe, deren Verwendung in Verbrennermotoren nach Vorstellungen der FDP auch nach 2035 verkauft werden sollen. Denn mehrere deutsche Autohersteller setzen auf diese E-Fuels und fürchten um bereits in diesem Bereich getätigte Investitionen. Und nun erhoffen sich die FDP-Spitzen, dass die Europäische Kommission Vorschläge in dieser Richtung unterbreitet. Doch Kommission und die anderen EU-Mitglieder wollten das Verbrenner-Aus 2035, was Deutschland nun überraschend verhindert hat. Und die Brüsseler Diplomatie schäumt, denn das deutsche Veto hätte wesentlich früher erfolgen können und müssen, um diskutiert werden zu können.

Das Problem mit den E-Fuels ist, dass der Betrieb entsprechend ausgerüsteter Fahrzeuge zwar klimafreundlich ist, aber die Herstellung deutlich mehr Energie erfordert, so dass die Klimabilanz eben doch nicht eindeutig positiv ist. Und schon macht Deutschland im Interesse der Automobil-Industrie einen Rückzieher. Ein Rückzieher, der ausreichte, dass die Abstimmung zu diesem Thema ausfiel. Deutschland, die Klimabremse.

„Vertrauensbruch“, „Deutschland wie Viktor Orban“, „Was sind Abkommen mit Deutschland überhaupt wert?“ – so und teilweise schärfer wurde die deutsche Verweigerungshaltung in Brüssel kommentiert. Zu einem Zeitpunkt, zu dem Berlin auch aufgrund anderer Zögerlichkeiten in der Kritik steht, hat man in Europa das Gefühl, als würde Deutschland seine Koalitions-Streitigkeiten auf dem Rücken der europäischen Klimafrage austragen. Jetzt, wo europäische Einigkeit mehr als je zuvor gefragt ist, würde man sich eine andere Rolle Deutschlands in Europa wünschen.

Die Verhandlungen zum Verbrenneraus 2035 waren bereits letztes Jahr gelaufen, entsprechende Verhandlungen hatten bereits Oktober im Europäischen Parlament und mit den Mitgliedsstaaten stattgefunden und im November wurde bereits das Ergebnis verkündet, das nun mit der Abstimmung in Brüssel besiegelt werden sollte. Pustekuchen, wie ein Springpferd verweigert Deutschland vor der letzten Hürde.

Leidtragende sind alle Europäerinnen und Europäer, denn wenn Deutschland den Klimaschutz blockiert, damit die Geschäftsinteressen der deutschen Automobil-Branche geschützt werden, dann wird das Klima für alle Menschen in Europa weiter belastet. Was leider bedeutet, dass die elende Regel der Einstimmigkeit erneut nicht FÜR die Menschen in der EU angewendet wird, sondern GEGEN die Interessen der Menschen, damit die deutsche Autoindustrie nicht umdenken muss. Das alles ist nach hinten und nicht nach vorne gerichtet und wenn schon die großen europäischen Länder immer wieder aus egoistischen Gründen europäische Fortschritte blockieren, dann wundert es wenig, dass Europas Einheit immer mehr bröckelt.

Dass auch Polen, Bulgarien und Italien nicht für das eigentlich fertig verhandelte Paket gestimmt hätten, ist nur wenig beruhigend, ebenso wie der Umstand, dass die entsprechende Abstimmung „auf unbestimmte Zeit“ verschoben wurde. Da versteht man die jugendlichen Klimademonstranten, die völlig zurecht kritisieren, dass viel geredet, aber viel zu wenig getan wird.

Dass sich Deutschland immer mehr zur europäischen Bremse wird, ist bedenklich. Europa zeigt immer mehr Auflösungserscheinungen und das ist nicht nur die Schuld der Visegrad-Staaten. Aber wer soll nun die Rolle des „europäischen Motors“ spielen? Malta und Zypern? Deutschland wird es auf jeden Fall wohl nicht sein. Schade.

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