Wird „Elysee 2“ ein historischer Vertrag?

Am Freitag übergab der Berichterstatter der französischen Regierung Sylvain Waserman den Bericht der deutsch-französischen Arbeitsgruppe an Europaministerin Nathalie Loiseau.

Sylvain Waserman übergibt Nathalie Loiseau den Bericht, der die Grundlage für "Elysee 2" darstellt. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Die samtigen Hallen des Quai d’Orsay in Paris waren der richtige Rahmen für die Übergabe des grenzüberschreitenden Berichts der Arbeitsgruppe des Vizepräsidenten des französischen Parlaments und Elsässer Abgeordneten Sylvain Waserman an die französische Europaministerin Nathalie Loiseau. Dieser Bericht ist die Vorbereitung zur Neufassung des Elysee-Vertrags von 1963, eine Anpassung an die Realitäten einer geänderten Welt. Der Geist, der in diesem Bericht erkennbar ist, ist deutlich und positiv – Frankreich will die deutsch-französische Zusammenarbeit in eine grenzüberschreitende Integration entwickeln, die Modellcharakter für die Entwicklung Europas haben soll. Aber werden die deutschen Partner wirklich mitspielen?

Der Bericht besteht aus sechs Vorschlägen für konkrete Maßnahmen, mit denen das Leben in einer grenzüberschreitenden Region einfacher und flüssiger zum Nutzen beider Seiten gestaltet werden soll. Dabei geht diese Entwicklung weit über die deutsch-französische Grenzregion hinaus – in Europa leben rund 35 % aller Menschen in grenznahen Regionen, diese Entwicklung betrifft also ein Drittel aller Europäer und Europäerinnen.

Der erste Vorschlag bezieht sich auf das Erlernen der Sprache des Nachbarn. Um dieses zu erleichtern, schlägt der Bericht vor, digitale Schulpartnerschaften zwischen deutschen und französischen Schulklassen einzurichten, über die ein regelmäßiger Austausch eingerichtet werden kann. Dieser soll natürlich auch in persönlichen Begegnungen gipfeln. Doch während sich alle Beteiligten einig sind, macht die deutsche Seite genau das Gegenteil dessen, was sie ankündigt. So hat das Bundesland Baden-Württemberg, das als direkter Nachbar des Elsass eigentlich ein gesteigertes Interesse daran haben sollte, die Zwei- und Dreisprachigkeit zu fördern, kürzlich das Erlernen der französischen Sprache um zwei Jahre für die Kleinsten verschoben. Darauf von Eurojournalist angesprochen, erklärte Ministerin Nathalie Loiseau, man habe mit den deutschen Partnern gesprochen und der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann würde das Notwendige veranlassen. Angesichts der Tatsache, dass eben jener Winfried Kretschmann genau das Gegenteil veranlasst hat, ist diese Aussage wenig beruhigend.

Sehr sinnvoll ist der zweite Vorschlag, nämlich derjenige der Einrichtung eines grenzüberschreitenden deutsch-französischen Entwicklungsplans. Künftig bei öffentlichen Projekten bereits in der Vorplanung zu überprüfen, welchen Nutzen es haben kann, Projekte grenzüberschreitend zu organisieren und dabei Synergien zu identifizieren, ist unbedingt richtig. Bisher war es in der Praxis so, dass beide Seiten vor sich hin arbeiteten und irgendwann feststellten, dass es besser gewesen wäre, das Projekt gemeinsam durchzuführen.

Der dritte Vorschlag bezieht sich auf eine kleine Revolution. Den Eurodistrikten sollen von beiden Ländern staatliche Kompetenzen übertragen werden, um federführend die Bereiche Transport und Zugang zum Arbeitsmarkt zu leiten. Doch hier liegt ein echtes Problem. Denn zum einen sind alleine die deutsch-französischen Eurodistrikte nicht kohärent aufgestellt (die einen sind als GECT organisiert, andere als lose Kooperation zwischen Stadtverwaltungen) und sind aktuell weder auf diese Fragen spezialisiert, noch von ihren Strukturen und Ressourcen so aufgestellt, dass sie in der Lage wären, solche Kompetenzen zu übernehmen. Auf die Frage von Eurojurnalist, ob es einen Zeitplan gäbe, mit dem zunächst die Eurodistrikte untereinander auf einen gleichen Stand gebracht werden sollen, antwortete Sylvain Waserman, dass man die lokal Verantwortlichen nicht zu einer bestimmten Funktionsweise verpflichten könne und jeder Eurodistrikt so funktionieren wird, wie er es für richtig hält. Wie man allerdings staatliche Kompetenzen an völlig unterschiedlich organisierte Strukturen übertragen will, die noch dazu in keiner Form für die Ausübung solcher Ausgaben aufgestellt ist, bleibt unbeantwortet. Und könnte die Achillesferse für dieses Vorhaben werden.

Vorschlag vier ist wohl konsensfähig. Die Einrichtung der „comFAST“, der „deutsch-französischen Strategiekommission“, ist natürlich eine gute und längst überfällige Idee, mit der die deutsch-französische Achse aus einer reaktiven in eine proaktive Rolle wechseln könnte. An dieser Stelle könnte endlich das entstehen, wovon alle seit Jahren reden, ohne dass es ihn wirklich gäbe – den deutsch-französischen Motor für Europa.

Vorschlag fünf lautet, eine permanente deutsch-französische Parlamentariergruppe einzurichten, nach dem Format der Arbeitsgruppe, die den präsentierten Bericht erarbeitet hat, mit jeweils 9 deutschen und 9 französischen Abgeordneten, die einen regelmäßigen Austausch zwischen den Parlamenten sicherstellen soll. Eine gute Idee. Vielleicht sollte man die Anforderung an die Mitglieder dieser neuen Gruppe stellen, dass die künftigen Mitglieder die Sprache des Nachbarn beherrschen. Denn Austausch klappt über Dolmetscher in der Regel eher schleppend.

Auch der sechste Vorschlag dürfte nur auf Beifall stoßen – er besagt, dass beide Seite intensiv daran arbeiten, den Sitz des Europäischen Parlaments in Straßburg zu sichern und zu entwickeln.

Die Nachricht dieses Bericht ist eindeutig: Frankreich will intensivere deutsch-französische Beziehungen, Frankreich will mehr Europa, Frankreich will mehr Innovation. Und hier die Gretchenfrage: Will Deutschland das auch? Bislang handelt die deutsche Seite nicht nach dem Geist dieses lesenswerten Berichts. Dabei zeigt dieser einen Fahrplan in eine interessante deutsch-französische und europäische Zukunft auf.

Sie können den Bericht kostenlos per Email anfordern, wenn Sie auf DIESEN LINK klicken!

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