Wird in Frankreich noch Politik gemacht?

In den letzten Wochen ist es still um die französische Politik geworden. Offensichtlich bereiten sich die Parteien nur noch auf die nächsten Präsidentschaftswahlen vor. Doch die gibt’s erst 2027.

Hier im luftleeren Raum schwebt gerade Frankreichs Politik - mit Kurs auf ein Schwarzes Loch... Foto: Les Bossinas (Cortez III Service Corp.) / Wikimedia Commons / PD

(KL) – So richtig Politik wird in Frankreich schon eine ganze Weile nicht mehr gemacht. Der 6. Premierminister seit einem Jahr, François Bayrou, ist in seinen Skandalen und Prozessen gefangen; der Präsident düst durch die Weltgeschichte und will den Ukraine-Krieg im Alleingang gewinnen; die Parteispitzen sprechen fast nur noch davon, wer bei der nächsten Präsidentschaftswahl Kandidat werden soll und ansonsten passiert im völlig blockierten Parlament ohne Mehrheit nicht viel. Es herrscht eine gespannte Sendepause, die Frankreich nicht gut tut.

Angesichts der aktuell unglaublichen Nachrichtenfülle fällt dieses Prolitik-Vakuum kaum jemandem auf. Fast täglich kommt es inzwischen zu Gewalttaten in Schulen, Moscheen, auf der Straße und die zuständigen Politiker drücken ihre Empörung aus, kündigen scharfe, repressive Maßnahmen an und legen Blumen an Tatorten nieder. An die zugrundeliegenden Probleme traut sich niemand mehr heran und es wirkt fast so, als würden die Franzosen angesichts dieser kaum noch existierenden Politik resignieren.

Doch genau das ist der Moment, auf den die Rechtsextremen gewartet haben. Beim Rassemblement-ex-Front National ist alles geklärt: Entweder schaffen es die Rechtsextremen, den Verlust des passiven Wahlrechts für Marine Le Pen im Berufungsverfahren zu kippen, wofür die Chancen aber schlecht stehen, denn immerhin ist Marine Le Pen für konkrete und nachgewiesene Vergehen verurteilt worden, oder aber ihr junger Parteichef Jordan Bardella wird Kandidat. Alles geklärt. Das sieht bei den anderen Parteien ganz anders aus.

Das linke Lager wird kaum mehr gemeinsam antreten, bei der linksextremen „La France Insoumise“ ist nicht klar, ob der seltsame Parteichef Jean-Luc Mélenchon erneut kandidiert oder wer es sont machen soll; bei den Sozialisten versuchen sich die Ewiggestrigen in eine gute Position zu bringen; bei den Grünen zeichnet sich kein(e) überzeugende(r) Kandidat(in) ab und bei den konservativen „Les Républicains“, einer der kleinsten Parteien im französischen Parlament, versuchen sich gerade gleich zwei Kandidaten als mögliche Nachfolger Macrons zu positionieren, Laurent Wauquiez und Bruno Retailleau, doch keiner dieser beiden Falken hat eine realistische Chance auf das höchste Staatsamt. In der „Macronie“ versucht der als Premierminister gescheiterte Gabriel Attal, sich als möglicher Präsident zu zeigen, doch alle, die sich momentan Hoffnungen auf eine Kandidatur 2027 machen, waren schon einmal in wichtigen Positionen und haben dort alle versagt. Das wiederum ist nicht sehr motivierend, 2027 für sie zu stimmen. Auf die Idee, einen neuen Kandidaten oder eine neue Kandidatin aufzubauen, wofür noch ausreichend Zeit wäre, kommt offenbar keine der Parteien.

Dass Präsident Macron, der völlig im luftleeren Raum seines Amts schwebt, weiterhin gerne als erfolgreicher Kriegsherr in die Geschichte eingehen will, ist auch nicht sonderlich zielführend. Wie „groß“ sein Gewicht auf der internationalen Bühne ist, das sah man im Vatikan, als ihn Donald Trump wie einen Schuljungen aus der Halle schickte, um in Ruhe mit Selenskyi zu sprechen.

Für Europa ist das politische Vakuum in Frankreich keine gute Sache, für einen hypothetischen „deutsch-französischen Motor Europas“ ohnehin. Denn Frankreich ist nicht das einzige Land, das gerade eine solche politische Lähmung erlebt, auch in Deutschland sieht es nicht viel besser aus.

Was allerdings etwas Schwung in die französische Politik bringen könnte, wäre eine erneute Auflösung des völlig blockierten Parlaments, gefolgt von Neuwahlen. Doch Freude will bei dieser Option auch nicht aufkommen, ist doch völlig klar, dass das zur Machtübernahme durch die Rechtsextremen führen wird, nachdem Macron selbst die einst bestehende „Brandmauer“ eingerissen hat. Andererseits, warum sollte es in Frankreich besser laufen als im Rest der Welt?

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