Wladimir Putin – wie sehr sich der Westen doch irrt

Viele große Medien sind der Ansicht, Wladimir Putin sei innenpolitisch durch die westlichen Sanktionen geschwächt und suche „Ausstiegs-Szenarien“. Doch das ist eine Fehleinschätzung.

Putin im Zentrum der Kritik? "Führerkult" wäre wohl das passendere Wort... Foto: Vladimir Menkov / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Die russische Propagandamaschine läuft so geölt wie die westliche. Im August 2014 steht das russische Volk in erdrückender Mehrheit hinter seinem Führer, der den Russen erfolgreich das Gefühl vermittelt hat, Russland müsse erneut gegen den Faschismus kämpfen. Dieses vermeintliche „Remake“ des „großen vaterländischen Kriegs“ eint die Russen und Wladimir Putin hat sein Volk gesammelt hinter sich gebracht.

Westliche Experten sind der Ansicht, dass die westlichen Sanktionen die Russen derart treffen, dass Volk und Oligarchen Druck auf Putin ausüben würden, so dass dieser seine kriegerischen Handlungen einstellen müsse. Druck von Seiten des Volks? In Russland? Wo Oppositionelle im Handumdrehen im Gulag verschwinden? Druck seitens der Oligarchen? Wie sehr sich Putin von Oligarchen unter Druck setzen lässt, dazu könnte man ja mal den früheren Yukos-Chef Chardowski befragen. Dessen Kritik an Putins Kurs führte ihn nach einem fadenscheinigen Prozess direkt ins Gefängnis nach Sibirien. Es wird Zeit zu verstehen, dass sich Putin weder vom Volk, noch von Oligarchen unter Druck setzen lässt. Wer sich ihm in den Weg stellt, den räumt er beiseite.

Inzwischen mehren sich auch die Stimmen in Russland, die sogar die westlichen Sanktionen begrüßen, da diese ein „Schritt in Richtung Autarkie Russlands sind“ – denn Russland muss jetzt schnell seine Bezugsquellen für verschiedenste Waren umstellen, vor allem für viele Lebensmittel aus dem Westen, für die jetzt ein Import-Stopp besteht. Nachdem Putin auf die Sanktionen seinerseits mit Sanktionen reagiert hat, wird sich Russland nun tatsächlich nach neuen Handelspartnern in Asien, Afrika und Südamerika umschauen und dabei sicherlich fündig werden. In diesem Zusammenhang beweist Putin deutlich mehr Geschick als die Europäer. Wie 1938 sitzt Europa wie das Kaninchen vor der Schlange, hofft und betet, Putin möge doch noch zur Vernunft kommen, und verpasst dabei die wichtigen Schritte zu unternehmen, die durch den Wegfall des Lieferanten Russland entstehenden Engpässe aufzufangen.

Solange wir uns selber in die Tasche lügen und eine vermeintliche Schwäche Putins annehmen, so lange arbeiten wir auch nicht an den dringend benötigten Szenarien, was zu tun ist, wenn das russische Gas nicht mehr fließt und der russische Markt für den Westen in beide Richtungen schließt. Europa müsste schleunigst dem russischen Beispiel folgen und Alternativen für die Dinge suchen, die künftig nicht mehr aus Russland kommen. Das hätte Europa allerdings ohnehin machen müssen, denn seit dem russisch-chinesischen Gas-Deal ist klar, dass die Gasquelle Russland in wenigen Jahren für die Europäer versiegen wird.

Und es wird Zeit sich einzugestehen, dass Putin sein eigenes Volk hinter sich stehen hat und keinesfalls im Zentrum der Kritik in Russland steht. Die Propaganda läuft so gut, dass nur 1 % der Russen glaubt, dass Russland auch nur das Geringste mit dem Abschuss von Flug MH17 zu tun habe. Auch der Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze wird im eigenen Land als Vorbereitung der „Friedenstruppen“ verkauft und geglaubt. Wenn Putin in der Ostukraine einmarschiert, und angesichts der offiziellen Stimmen in Moskau steht dieser Schritt wohl unmittelbar bevor, werden die Russen davon ausgehen, dass dies passiert, um Russen im benachbarten Ausland in höchster Not zu helfen. Keine Stimme wird sich in Russland erheben, wenn Putin den III. Weltkrieg offen starten wird – denn immerhin glauben die Russen ja, dass es darum geht, Mütterchen Russland erneut gegen die Faschisten zu verteidigen. Das deutsche Volk ist auch schon seinen Führern auf den Leim gegangen – das Gleiche passiert nun den Russen.

Wer aber heute noch öffentlich Schwächen bei Putin vermutet, der unterstützt nur diejenigen, die immer noch meinen, die Situation in der Ostukraine würde sich von selbst und in Wohlgefallen auflösen. Doch niemand hat etwas davon, wenn man sich nun die Situation schön redet, statt unverzüglich Maßnahmen für den sehr wahrscheinlichen Fall zu treffen, dass Russland als Partner für lange, lange Zeit wegfallen wird. Seltsam, dass die Welt aus den letzten großen Kriegen so überhaupt nichts gelernt hat.

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